Mitte November deckten der "Spiegel" und das ZDF auf, dass der Journalist und Dokumentarfilmer, der den russischen Präsidenten für die ARD mehrfach interviewt hat und zwei Bücher über Putin schrieb, Hunderttausende Euro vom Kreml-nahen Oligarchen Alexej Mordaschow im Rahmen eines "Sponsorenvertrags" erhalten hat. Seipel hat das nicht bestritten, äußerte sich aber zunächst nicht ausführlicher zu den Vorgängen. Nun brach er in einem Gespräch mit der "Zeit" sein Schweigen.
Dass er Geld aus Russland angenommen hat, erklärt er unter anderem mit den dürftigen Honoraren, die er von der ARD für seine Dokumentarfilme erhalten habe. Vor-Recherchen seien gar nicht bezahlt worden, am Ende habe er für einen Film "selten mehr als 25.000 Euro erhalten", für das Putin-Porträt seien es ausnahmsweise 50.000 Euro gewesen. Aufgrund des Arbeitsaufwands habe er pro Jahr nur einen, höchstens zwei Filme geschafft. Dadurch habe er in vielen Jahren "bei Weitem nicht das Einkommen eines Lehrers" gehabt.
Als er das Angebot von Mordaschow bekommen hat, sei er 63 Jahre alt gewesen. "Ich habe mich durchaus gefragt: Wie lange kann ich mich noch intensiv einem Thema widmen? Das hat mich damals in der Tat angefasst", sagt Seipel gegenüber der "Zeit". Dazu habe ihn die neuerliche Konfrontation zwischen Russland und Europa fasziniert. "Mir war klar: Wenn ich das wirklich angehen will, dann brauche ich das Geld."
Der Vorschuss, den er für das geplante Buch vom Verlag erhalten habe, hätte demnach nicht gereicht, um die Arbeit zu finanzieren. "Wenn ich die Zusammenhänge wirklich recherchieren und kapieren will, muss ich permanent reisen, muss ich nicht nur in Russland präsent sein, hinfliegen, mit sehr unterschiedlichen Leuten reden." Insgesamt sei er mehr als 50 Mal nach Moskau gereist, habe auch in Washington und Helsinki recherchiert. Das von Mordaschow erhalten Geld habe er im Zuge der Recherchen jedenfalls komplett aufgebraucht.
Wie die Vereinbarung zwischen Mordaschow und Seipel genau aussah, bleibt aber weiter unklar, Seipel betont lediglich: "Er hat weder das Buch vorher gesehen, noch wusste er, welche Themen ich behandle." Zwar verfolge Mordaschow natürlich eigenen Interessen, für ihn sei aber entscheidend gewesen, dass Mordaschow nicht aus dem russischen Geheimdienst oder Sicherheitsapparat komme. "Und: Er bemüht sich seit Langem und für mich glaubwürdig um das deutsch-russische Verhältnis", so Seipel.
Bereuen würde er die Entscheidung, das Geld anzunehmen, auch im Nachhinein nicht: "Es war spannend und hat mir viele Erkenntnisse gebracht, die ich sonst nicht gewonnen hätte." Fehler in seinen Büchern und Filmen hätten ihm zudem nicht nachgewiesen werden können. "Ja, ich hätte das Geld ablehnen können. Dann bin ich unschuldig bis zum Ende meines Lebens, komme aber leider nicht an die Informationen, die ich für mein Projekt brauche", so Seipel, der dann noch in den Angriffsmodus schaltet und Kritik an Kollegen übt: "Was ich hasse, sind Journalisten, die einen Missstand benennen, aber nicht ausschließlich berichten, sondern die Gelegenheit nutzen, um sich selbst vor die Kamera zu stellen, um zu zeigen, dass sie selbst 'gute' Menschen und auf dem richtigen Weg sind."