Seit Monaten diskutiert die Branche über den Plan von Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne), Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, zu verbieten. Nach einem ersten Aufschlag ist das Vorhaben mittlerweile etwas entschärft worden, für viele Medienunternehmen geht das geplante Gesetz aber nach wie vor viel zu weit. Sie befürchten zurückgehende Werbeeinnahmen - und das zu einer Zeit, in der der Markt ohnehin rückläufig ist.
In einem gemeinsamen Statement haben sich der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), der Medienverband der freien Presse (MVFP) und der Verband Privater Medien (VAUNET) nun gegen das geplante Vorhaben gestellt und Cem Özdemir kritisiert. Das geplante Vorhaben wäre "wirkungslos" im Einsatz gegen kindliches Übergewicht, dafür würde es der Wirtschaft schaden, heißt es in dem Statement der Verbände.
Die Verbände verweisen auch auf den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, laut dem es keinen Zusammenhang zwischen Werbeverboten und der Reduzierung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen gibt. Gleichzeitig hat der Wissenschaftliche Dienst aber auch festgestellt, dass das geplante Vorhaben des Ernährungsministers verfassungskonform wäre.
Die genannten Verbände fordern Cem Özdemir nun auf, sich "endlich dem Problem der Übergewichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen mit wissenschaftlich fundierten Maßnahmen zu stellen". Gleichzeitig fordern sie einen Stopp des Gesetzesentwurfs. Als Özdemir den Plan Anfang des Jahres vorstellte, hätte er vermutlich nicht mit so starkem Gegenwind gerechnet. Er sprach damals von einem "breiten gesellschaftlichen Bündnis von Wissenschaft und Ärztinnen und Ärzten über Krankenkassen bis hin zu Elternvertretungen", die seinen Plan unterstützen würden.
Vaunet-Geschäftsführerin Daniela Beaujean bezeichnet das geplante Vorhaben nun als "unverhältnismäßig". Beaujean: "Es betrifft keineswegs nur stark zucker-, fett- und salzhaltige Produkte, sondern auch zahlreiche alltägliche Nahrungsmittel. Zudem geht es - anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen - weit über die Beschränkung von an Kinder gerichtete Werbung hinaus. Die Finanzierung zahlreicher Inhalte und die Medienvielfalt wären gefährdet, mit negativen Konsequenzen für andere Bereiche der Kreativwirtschaft und die Gesellschaft." Beaujean verweist zudem auf bestehende "selbstregulatorische Grenzen" sowie die Tatsache, dass die Gesetzgebungskompetenz für Rundfunk bei den Ländern liegt - und nicht beim Bund.
Stephan Scherzer, Bundesgeschäftsführer MVFP, warnt davor, dass nicht nur große, sondern "vor allem viele kleine und mittlere Unternehmen unserer vielfältigen Pressebranche" von dem Plan Özdemirs betroffen seien. Er spricht von einem möglichen Umsatzeinbruch in Höhe von jährlich 3 Milliarden Euro im gesamten Werbemarkt. Sigrun Albert, Hauptgeschäftsführerin BDZV, sagt, das geplante Werbeverbot führe zu "Einschränkungen der journalistischen Vielfalt" und behindere so die vielfältige, unabhängige Meinungsbildung.