Am Dienstag hatte der Verband VAUNET, in dem sich die privaten audiovisuellen Medien in Deutschland zusammengeschlossen haben, zur Mitgliederversammlung und zum abendlichen Sommerempfang geladen. Nun sich Appelle des Verbandes an die Politik, den Expansionsdrang der Öffentlich-Rechtlichen einzudämmen und zugleich Regulierungen, unter den Privatsender stehen, zu lockern oder zumindest nicht zu verschärfen, schon seit Jahr und Tag das normale Lobby-Geschäft - in diesem Jahr klingen Einlassungen des Verbandes aber noch etwas eindringlicher.
"Die Wettbewerbssituation der privaten audiovisuellen Medien war in ihrer fast 40-jährigen Geschichte noch nie so fragil wie heute", sagt der VAUNET-Vorstandsvorsitzende Claus Grewenig, der zugleich Chief Corporate Affairs bei RTL Deutschland ist. Und das liege nicht nur an den Folgen von Corona-Krise und Angriffskrieg auf die Ukraine, die für ein generell schwieriges wirtschaftliches Umfeld und damit sinkende Werbeeinnahmen bei gleichzeitig inflationsbedingt steigenden Kosten sorgen. "Ursache hierfür sind auch die fortgesetzten Eingriffe insbesondere aus der Bundesregierung in die Finanzierungsgrundlagen der Branche", so Grewenig.
"Uns wäre derzeit schon geholfen, wenn man uns wenigstens den Raum lassen würde, uns im Markt und in der Digitalisierung zu behaupten. Das ist der Kern unternehmerischen Handelns. Nichtstun ist keine Option, aber Unsinniges zu unterlassen sehr wohl. Der Ansatz, Medien als Kollateralschaden für eine falsch verstandene Symbolpolitik in Kauf zu nehmen, muss aufhören!"
Als Teil dieser "falsch verstandenen Symbolpolitik" sieht VAUNET etwa die geplanten Einschränkungen der Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet - was die Einnahmen der privaten Medien "in signifikanter Höhe" betreffen würde, "ohne dass es einen Nachweis der Evidenz für diesen drastischen Eingriff in ihre Finanzierungsfreiheit gebe", so VAUNET. Zwar sei der Schutz vor einer Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Ziel, das Instrument der Werbe-Einschränkungen aber "verfehlt und unverhältnismäßig". SPD, Grüne und FDP hatten die geplante Werbe-Einschränkung schon im Koalitionsvertrag festgelegt, der von Ernäherungsminister Cem Özdemir vorgelegte Vorschlag wurde aber zuletzt schon mehrfach entschärft, bislang zeichnet sich hier auch innerhalb der Regierung keine Einigkeit ab.
VAUNET kritisiert außerdem die von der Kultur- und Medienstaatsministerin Claudia Roth geplanten Maßnahmen, eine Filmförderung mit zusätzlichen Investitionsverpflichtungen und mittelbaren Abgabesteigerungen zu belegen: "Mit zahlreichen Subquoten und kleinteiligen Vorgaben würden keine Inhalte für den Markt, sondern nach Kontrollkästchen produziert. Wir erleben Teile der Politik hier mit einem blinden Fleck in der Wahrnehmung für die vielfältigen Leistungen der privaten Medien – die nicht nur jährlich in Milliardenhöhe in Inhalte investieren, sondern schon heute zum Beispiel erhebliche Einzahlungen in die Filmförderung leisten – auf Länderebene im Übrigen auf freiwilliger Basis", wettert Grewenig. "In beiden Fällen würde ein verständiger Dialog mit der Branche helfen, da Medien nicht Teil eines Problems, sondern Teil der Lösung sind."
Neben deutscher droht zudem auch schärfere europäische Regulierung, wie Michael Müller, Vorsitzender des Fachbereichs Fernsehen und Multimedia und Chief Distribution Officer, Legal & Regulatory und Leiter Medienpolitik bei ProSiebenSat.1, ergänzt: "Bei der Verbreitung unserer Inhalte drohen Network Fees als digitale Maut für Inhalte. Selbst wenn eine solche Initiative nicht primär auf uns Medienanbieter zielt, besteht die Gefahr, dass wir am Ende doch die Rechnung übernehmen müssen." Gleichwohl begrüße man die EU-Regulierung der großen Tech-Unternehmen: "Damit wird fairer Wettbewerb – gerade im Bereich datenbasierter Geschäftsmodelle –gewährleistet und ein klarer Transparenz- und Rechenschaftsrahmen für Onlineplattformen geschaffen."
Schützenhilfe gab's von Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der private Medien "von zwei Seiten in die Zange genommen" sieht: "Auf der einen Seite dehnen sich die großen globalen Big-Tech-Plattformen immer weiter aus, auf der anderen Seite wächst der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz aller Reformrhetorik fast ungebremst. In so einer sensiblen Wettbewerbskonstellation verschärfen staatliche Markteingriffe Ungleichgewichte, das gilt für zusätzliche Abgaben ebenso wie für Werbeverbote. Das Dilemma ist, dass Regulierung an Attraktivität gewonnen hat, weil sie kein Budget kostet. Sie droht aber, in Deutschland Medienvielfalt zu kosten und auch in andere Branchen zu wirtschaftlichen Einschnitten zu führen."
Insbesondere die Audio-Branche dringt weiter auf eine stärkere Beschränkung der öffentlich-rechtlichen Angebote: "Ein 'Weiter so' bei Umfang und kommerzieller Ausrichtung öffentlich-rechtlicher Radio- und Audioformate darf es nicht geben, es müssen klare Grenzen definiert werden, sonst ist der Verlust privater Medienvielfalt in den Ländern eine unausweichliche Folge. Wir brauchen einen echten Neustart im dualen System. Er muss unter anderem in einem ersten Schritt eine deutliche Werbereduzierung und die Durchsetzung eines konsequenten Telemedienwerbeverbots, auch für die kommerziellen Töchter der Anstalten, beinalten. Wenn das nicht geschieht, werden wir erleben, dass das gesamte digitale Inventar der Anstalten zu Lasten der Privaten, auch regional und lokal, vermarktet wird", sagt Nina Gerhardt, stellvertretende Vorsitzende des Fachbereichs Radio und Audiodienste und zugleich Chefin von RTL Radio Deutschland.