"Es sieht ein bisschen aus wie beim Leuchtstoffröhren-Sonderverkauf beim OBI": Oliver Kalkofe, erprobter Fernsehkritiker mit "Mattscheibe" und Radio-Vergangenheit, nutzte seinen Auftritt beim Deutschen Radiopreis in Hamburg glücklicherweise nicht nur, um sich über das Bühnenbild lustig zu machen, sondern auch dafür, der Branche mit Blick auf den jüngsten KI-Trend in bewährter Manier die Leviten zu lesen. Seine Forderung: Die Verantwortlichen sollen doch bitteschön nicht nur Künstliche Intelligenz fördern, sondern auch die MI, also die "menschliche Intelligenz".
Ein hehrer Wunsch in einer Welt, in der musikalisch oft eher der kleinste gemeinsame Nenner gesucht wird. Doch die 14. Radiopreis-Verleihung - die erste in der Neuen Flora - zeigte in gut zweieinhalb Stunden sehr eindrucksvoll, wie viel Potenzial noch immer in diesem Medium steckt, das vor ziemlich genau 100 Jahren seinen Siegeszug in Deutschland antrat und noch immer tagtäglich Millionen Hörerinnen und Hörer erreicht. .
Tatsächlich gab es am Donnerstag gar nicht den einen Gewinner - vielmehr zeigten die verschiedenen Preisträgerinnen und Preisträger, wozu die Radio-Branche auch im Jahr 2023 in der Lage ist, wenn man ihr die notwendigen Freiheiten gibt. Da ist etwa Bremen Next, die junge Welle von Radio Bremen, die eine beeindruckende Live-Übertragung aus einer JVA auf die Beine stellte und den Radiopreis verdientermaßen für die "Beste Sendung" erhielt. Oder Moderatorin Sabrina Gander, die für ihr intensives Gespräch beim kleinen Sender Donau 3 FM mit einem Bestatter, der nach dem schweren Erdbeben in der Türkei vor Ort war, für das "Beste Interview" geehrt wurde.
Es war eine kurzweilige Show, die die neue Moderatorin Katrin Bauerfeind zusammen mit Radio-Kommentator Thorsten Schorn und zahlreichen Stargästen, darunter Chartstürmer Tim Kamrad und die Grammy-Gewinner Purpe Disco Machine, bot. Mehr als 60 Radiosender, darunter inzwischen sogar das Inselradio auf Mallorca, übertrugen die Show - und am Ende konnte nicht nur Oliver Kalkofe glücklicherweise den Eindruck gewinnen, dass Radio mehr ist als nur das Beste der 80er und 90er.
So wurde das Bayern-2-Format "radioWissen" für seine "Olympia-Protokolle" über das Olympia-Attentat von 1972 ebenso ausgezeichnet wie der kleine Lokalsender Radio Hochstift, der mit seiner Aktion über das Thema Depressionen die Grimme-Jury überzeugte. Die Reportage über das teure Wohnen in Deutschland, für die sich die RBB-Welle radioeins mit detektor.fm zusammenschloss, wurde am Donnerstag zudem ebenso mit einem Radiopreis geehrt wie Isabelle Ihden, die für ihre Moderation beim Kinder- und Familiensender Radio Teddy den Preis als beste Newcomerin erhielt.
Den Preis für die beste Morgensendung, also die Radio-Primetime, erhielt der Berliner 91.4 für seine Show mit Simone Paneteilt, während sich bigFM-Mann Maurice Moore mit seiner unkonventionellen Art als bester Modertaor gegen namhafte Konkurrenz durchsetzte. Nein, durch künstliche Intelligenz ist diese Form von Radio noch lange nicht zu ersetzen.
Die Gewinnerinnen und Gewinner auf einen Blick
Bestes Entertainment
- "Der Nonsenf des Tages" (LandesWelle Thüringen)
- "Das KI-Experiment: Kann künstliche Intelligenz den nächsten Radiohit produzieren?" (104.6 RTL Berlins Hitradio)
- "Grüße aus der Zukunft" (WDR 5)
Beste Morgensendung
- "Die Frühaufdreher" (Bayern 3),
- "Berliner Rundfunk 91.4 mit Simone Panteleit und Team" (Berliner Rundfunk 91.4)
- "radio SAW Muckefuck" (radio SAW).
Beste:r Moderator:in
- Susanne Rohrer (Bayern 1 am Nachmittag)
- Maurice Moore (bigFM)
- Constantin Zöller (SWR3)
Beste Programmaktion
- "Wir haben Depressionen" (Radio Hochstift)
- "Milas‘ Baumhaus" (RPR1)
- "hr3 - Mehr Helden für Hessen - Tobi wird Rettungsschwimmer - und Du auch“ (hr3)
Beste Reportage
- "Die Flut – Warum musste Johanna sterben?“ (WDR 4 in Kooperation mit dem SWR)
- "Teurer Wohnen“ (detektor.fm und radioeins)
- "Gestohlener Wald" (NDR Info)
Beste Sendung
- "Der Funkstreifzug: 'Tatort Kita - Wenn Kinder nicht geschützt werden‘" (BR24 Radio),
- "Newsjunkies - verstehen was uns bewegt" (RBB24 Inforadio)
- "Bremen Next am Nachmittag – Live aus der JVA Oslebshausen" (Bremen Next)
Beste:r Newcomer:in
- Pauline Plasse (radio ffn)
- Natascha "Taki" Knackstedt (Radio Bob)
- Isabelle Ihden (Radio Teddy)
Bestes Musikformat
- "Die 80s80s Listening Session“ (80s80s Radio),
- "Interpretationssache - Der Musikpodcast" (SR 2 KulturRadio)
- "N-Joy Reeperbus" (N-Joy)
Bestes Interview
- "Eine Stunde reden – Warum es dieser 18-Jährigen ohne Familie besser geht“ (Bremen Zwei)
- "Sabrina trifft…Bestatter Daniel Streidt" (Donau3FM)
- "Unter Almans - Migrantische Geschichte(n)" (Cosmo)
Bestes Informationsformat
- "FluxFM Cosmorama" (100,6 FluxFM)
- "radioWissen - Die Olympia-Protokolle" (Bayern 2)
- "Dark Matters - Geheimnisse der Geheimdienste“ (SWR3 und RBB24 Inforadio)