Ein Tweet der früheren AfD-Chefin Frauke Petry sorgt derzeit für Aufregung bei RTL - oder besser gesagt: Ein angeblicher Tweet. Es ist nur eine vergleichsweise kleine Sequenz in einem Beitrag, der vor elf Tagen im Boulevardmagazin "Explosiv Weekend" lief, doch dieser schlägt nun hohe Wellen.
In besagtem Bericht trifft Reporter Maurice Gajda den Musiker Trong Hieu Ngyuen und einige seiner Freunde in dessen Heimat Vietnam. Es geht um Trongs Teilnahme am deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest und um die Reaktionen darauf. Ein paar Freunde hätten ihm damals einen Tweet von Petry geschickt, erzählt Gajda und liest schließlich vor, was die Politikerin über Trong geschrieben haben soll: "Ich glaube, kein normaler Deutscher will einen rosa gefärbten Asiaten beim ESC sehen."
Dieser Tweet, so erklärt es Gajda, sei inzwischen gelöscht worden. Dennoch wird das angebliche Posting eingeblendet - in der typischen Twitter-Optik. Was wirkt, als handle es sich dabei um einen Screenshot, wurde jedoch in Wirklichkeit täuschend echt nachgebaut. Das ist ein echtes Problem für RTL, weil der Sender nun den Beweis erbringen muss, dass es Petrys Tweet wirklich gegeben hat. Ein solcher Beweis fehlt bislang allerdings, auch wenn Gajda nach wie vor überzeugt davon ist, dass die ehemalige AfD-Chefin die Nachricht exakt so verfasst hat.
"Ein Freund aus der LGBTQ-Bewegung hat mir kurz nach der Veröffentlichung den Link zu diesem Post zugeschickt", stellte Maurice Gajda am Mittwoch auf DWDL.de-Nachfrage klar. "Da ich meinen Augen kaum trauen konnte, habe ich den Text aus dem Tweet rauskopiert und mit Freunden darüber diskutiert. Kurze Zeit später wurde diese Nachricht wieder gelöscht und der Link, der heute noch besteht, führt ins Leere." [Hinweis zum Link: siehe unten] Gajda kündigte zugleich an, diesen Hergang in einer eidesstattlichen Versicherung bestätigen zu wollen.
Aussage gegen Aussage
Frauke Petry will von dem angeblichen Tweet indes nichts wissen und meldete sich am Dienstag auf X, wie Twitter inzwischen heißt, zu Wort. "Wie man mit politisch unbequemen Personen umgeht, demonstriert RTL hier eindrucksvoll", schrieb die ehemalige AfD-Chefin. "Man denkt sich einen rassistischen Tweet aus, ein Grafiker setzt das um und fertig ist das Fake." Auf Nachfrage einer Userin behauptet Petry, dass der angebliche Tweet nie gepostet wurde. Zugleich kündigte sie rechtliche Schritte an: "Abmahnung ist unterwegs."
Petry ist ihrer Sache also sicher, Aussage steht gegen Aussage. Am Dienstag stellte sich RTL via X zunächst hinter seinen Reporter. Diese habe den Tweet "im März gesehen und wortgenau notiert", erklärte der Sender. "Er verbürgt sich dafür." Gleichzeitig räumte RTL ein, dass die grafische Umsetzung im Design von Petrys Twitter-Profil "gegen unsere journalistischen Guidelines" verstoßen. "Dafür entschuldigen wir uns."
Tatsächlich war es letztlich wohl die Screenshot-Anmutung, die niemanden bei RTL in der Abnahme an der Echtheit des Tweets zweifeln ließ. Nach DWDL.de-Informationen sucht ein Verification-Team des Privatsenders weiterhin nach der Original-Nachricht - fündig wurde bislang allerdings niemand. Dass sich Frauke Petry im März zu Auftritten beim ESC-Vorentscheid äußerte, ist indes unstrittig. In Richtung der späteren Sieger-Band Lord of the Lost schrieb sie damals: "Kann mir nicht vorstellen, dass normale Bürger von diesen pinken Herren 'vertreten' werden wollen." Die Band selbst reagiert süffisant darauf: "Keine Sorge, Frauke, Euch 'normale Bürger' vertreten wir auch nicht. Haben wir nie, werden wir nie." In diesem Fall ist übrigens überliefert, dass Petry ihren Ursprungstweet später löschte.
Zusammenarbeit wird ausgesetzt
Weniger Klarheit besteht indes im Zusammenhang mit dem angeblichen Tweet über den Musiker Trong. Das ist auch der Grund, weshalb Maurice Gajda, der in dieser Woche eigentlich "Explosiv" moderieren sollte, vorerst nicht mehr bei RTL zu sehen sein wird, wie eine Sendersprecherin am Mittwoch gegenüber DWDL.de bestätigte. "Wir setzen die Zusammenarbeit mit Maurice Gajda bis auf Weiteres aus, bis die im Raum stehenden Vorwürfe geklärt sind", heißt es aus Köln. Den Verantwortlichen bei RTL gehe es darum, den Sender und seine journalistischen Einheiten, aber auch den Kollegen Maurice Gajda zu schützen. Auch für die "RTLzwei News", die der Moderator regelmäßig moderiert, wird er nach DWDL.de-Informationen erstmal nicht mehr vor der Kamera stehen.
Auf die Frage, was in diesem konkreten Fall bei der Abnahme des Berichts falsch gelaufen sei, antwortet RTL gegenüber DWDL.de: "Wir arbeiten tagtäglich in einem engmaschigen und mehrstufigen Abnahmeprozess mit der Mindestanforderung eines Vier-Augen-Prinzips. Der grafisch und fälschlich erstellte Tweet bot den verantwortlichen Sende-CvDs keinerlei Anhaltspunkt, um die journalistische Integrität in Frage zu stellen. Wir werden unsere journalistischen Guidelines auch diesbezüglich nochmals schärfen."
Maurice Gajda sieht die Schuld bei sich. "Für den Fehler, diesen Tweet in meinem Beitrag vom 5. August 2023 ohne den Hinweis darauf grafisch nachzubauen, möchte ich aufrichtig um Entschuldigung bitten", erklärte er. "Meiner journalistischen Sorgfaltspflicht bin ich in diesem Fall nicht nachgekommen. Ganz unabhängig davon wie diffamierend und beleidigend der Inhalt der Nachricht von Frauke Petry auch war."
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels stand ein falscher Link, der auf den angeblich gelöschten Tweet von Frauke Petry verwies. Auf Twitter (X) haben uns einige Leserinnen und Leser darauf aufmerksam gemacht, dass gemäß der Twitterlogik dieser angebliche Post in der Zukunft liegen würde. Das Management von Maurice Gajda hat uns daraufhin einen anderen Link zugeschickt, der ebenfalls auf einen gelöschten Tweet verweisen soll. Dieser Link (wir haben ihn nun oben eingefügt) scheint aber auf den gelöschten Tweet von Frauke Petry zu verweisen, in dem sie sich abfällig über die Lord of the Lost äußert.