Seit Jahrzehnten schon agieren kommerzielle Tochterfirmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland schon auch als Dienstleister für privatwirtschaftliche Auftraggeber bzw. Kunden. Das erst später gestartete Privatfernsehen profitierte von vorhandener öffentlich-rechtlicher Infrastruktur; woanders wiederum sorgten Investitionen aus dem Rundfunkbeitrag erst für den Aufbau einer Infrastruktur und Etablierung eines Standortes für die Kreativwirtschaft. Warum also weckt der geplante Deal zwischen WDR und Bavaria Studios, der noch unter dem formellen Vorbehalt einer Zustimmung des WDR-Verwaltungsrats steht, für Aufmerksamkeit?

Petra Sitte © imago / IPON
Die geplante Expansion des im Münchener Süden beheimateten Studiobetreibers nach Nordrhein-Westfalen kommt zu einer Zeit, in der sehr umfassend über den grundsätzlichen Auftrag und Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert wird. „Grundsätzlich ist ein kritischer Blick auf das Geflecht von öffentlich-rechtlichen Töchterfirmen geboten“, sagt Petra Sitte, medienpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, ergänzt aber auch: „Ich würde nicht von vornherein in Frage stellen wollen, dass öffentlich-rechtliche Anstalten oder ihre Töchter sich am Markt betätigen, solange ihnen aus der Rundfunkfinanzierung keine Wettbewerbsvorteile erwachsen.“

Wirtschaftlichkeit müsse gewährleistet sein

Deshalb sei bei diesem kniffligen Konstrukt „absolute Transparenz über die Vertragsbedingungen“ nötig. Außerdem fordert Linken-Politikerin Sitte: „Die zuständigen Aufsichtsgremien sollten sich zudem genau angucken, ob sich das Ganze wirtschaftlich rechnet.“ Denn die Reaktivierung und Modernisierung des Geländes in Köln-Bocklemünd erfordert auch Investitionen. Eine Sorge, die auch das ZDF als zweitgrößten Gesellschafter von Bavaria Studios umtreibt, insbesondere weil die maue Auftragslage aktuell für Überkapazitäten sorgt und der Standort Köln durch die beiden Wettbewerber MMC und EMG Germany extrem preissensibel sei. 

Knifflig ist die Vermietung an Bavaria Studios, weil der WDR offenbar weiterhin auch selbst auf dem Gelände produzieren will. Wie werden öffentlich-rechtliche Mittel aus dem Rundfunkbeitrag von den privatwirtschaftlichen Geschäften der Bavaria Studios getrennt? Stichwort Pförtner oder Haustechnik. Private Konkurrenten mahnen, es dürfe nicht dazu kommen, dass mit Beitragsgeldern finanzierte WDR-Infrastruktur genutzt wird, um den Wettbewerb preislich zu unterbieten. Transparenz wird nötig sein. Dessen werden sich WDR und Bavaria Studios mutmaßlich auch bewusst sein. Derzeit schweigen die beiden Häuser, gaben am Mittwoch nur eine grundsätzliche Bestätigung des Vorhabens in Köln-Bocklemünd, wo zuletzt immer wieder auch ein Verkauf spekuliert wurde.

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Thomas Hacker © imago / Future Image
„Die entscheidende Frage ist, welche Optionen hätte der WDR für sein Areal noch gehabt: gab es nur die Bavaria Studios als Interessenten und wie marktnah wird der Mietpreis, welche privaten Interessenten hätten das Areal gerne auch übernommen oder wäre sogar eine komplette Veräußerung denkbar gewesen“, fragt sich Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. „Die Expansion von öffentlich-rechtlichen Tochterfirmen ist gerade angesichts der Debatte um die Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heute kritischer denn je zu hinterfragen, da immer auch Gebührengelder tangiert sind. Inwieweit dann ein fairer Wettbewerb vor Ort wirklich stattfindet, mag man angesichts der Dominanz von Bavaria und der aktuellen Marktsituation für private Studios ernsthaft bezweifeln.“ 

Im Rheinland entwickelte sich mit dem Start des Privatfernsehens in den 80er Jahren eine privatwirtschaftliche Infrastruktur. Das unterscheidet den Standort von Hamburg, Berlin(-Adlershof) und München, wo die großen Studio- und Produktionskapazitäten schon lange bzw. immer hauptsächlich in öffentlich-rechtlicher Hand waren. Doch es gibt auch den anderen Blickwinkel auf den geplanten Deal: Dank der Vermietung verdient der Sender von Intendant Tom Buhrow schließlich Geld mit dem ehemaligen „Lindenstraßen“-Gelände und alle öffentlich-rechtlichen Anstalten stehen unter Sparzwang und Kostendruck - durch Inflation und Beitragsdebatte. 

Lösung für das ungenutzte Gelände wird begrüßt

Helge Lindh © imago / IPON
„Vom WDR kann und muss erwartet werden, dass er nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit handelt (…) Dazu gehört indes ebenfalls, ein ansonsten als unwirtschaftlich eingestuftes Produktionsgelände auszulasten“, sagt Helge Lindh (Foto), medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion auf DWDL-Anfrage. Da pflichtet ihm auch sein FDP-Kollege grundsätzlich auch bei, der ebenso eine Nutzung des brachliegenden Geländes befürwortet: „Eine langfristige Nutzungsperspektive als Film-u. TV-Standort für die einstigen Lindenstraßen-Studios ist zu begrüßen.“

Aus der CDU-geführten Staatskanzlei in Düsseldorf kommt eine ambivalente Einschätzung des Deals, geprägt von einerseits standort-politischer Freude über das Interesse an Nordrhein-Westfalen, andererseits dürfe das nicht auf Kosten eines gesunden, fairen Wettbewerbs gehen. „Ganz grundsätzlich ist es für den bundesweit führenden Fernseh-Standort Köln natürlich von großer Bedeutung, dass es hier eine gute, wirtschaftlich funktionierende Studio-Infrastruktur gibt, die den konkreten Bedarfen vor Ort Rechnung trägt und von einem gesunden und fairen Wettbewerb geprägt ist“, teilt die Staatskanzlei auf Anfrage mit. 

„Natürlich müssen klare, transparente Regelungen getroffen werden, die sicherstellen, dass Beitragsgelder nicht zu einem Wettbewerbsvorteil auf dem Markt führen, auf dem der ÖRR und damit u.a. der WDR übrigens auch als Auftraggeber und Partner der freien Produktionsfirmen auftreten. Die Konditionen der Vermietung und Nutzung sind zu klären“, führt Helge Lindh, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion mit Zuversicht aus. „Gewiss lassen sich anteilig Kosten in Verträgen klar aufteilen und auseinanderrechnen, bei eventuellen Investionen muss mit den Partnern die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten werden.“ Einig sind sich am Ende alle befragten Medienpolitikerinnen und -politiker: Ein wirtschaftliches Abenteuer dürfe die Expansion nicht werden und Transparenz müsse angesichts des bestehenden Wettbewerbs gewährleistet sein.

(DWDL.de hatte auch die medienpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der im Bundestag vertretenen CDU/CSU, Grünen und AfD angefragt. Aufgrund der Urlaubszeit bat man bei CDU/CSU um Verständnis, dass eine Beantwortung diesmal zeitnah nicht möglich sei. Die zuständigen Sprecher bei Grünen und AfD reagierten nicht auf die Anfrage.)

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