"Neustart im dualen System": Mit diesen Worten ist ein Positionspapier überschrieben, das der Privatsender-Verband VAUNET an diesem Donnerstag veröffentlicht hat. Der Fokus wird dabei auf die Situation in der deutschen Radiolandschaft gelegt. Diese ist zwar noch immer stark, doch die Privatsender geraten seit Jahren zunehmend unter Druck. Rund 30 Millionen Menschen erreichen die privaten Radioveranstalter hierzulande Tag für Tag - das Problem liegt jedoch in der Finanzierung.

Vom Einbruch der Werbeeinnahmen mit Beginn der Corona-Krise hat sich die Branche bislang nicht erholen können: Im Jahr 2022 lagen die Netto-Werbeerlöse im Bereich der Radiowerbung auf dem niedrigsten Niveau seit zehn Jahren. Zwar wächst der Anteil der sogenannten Instream-Audiowerbung, doch selbst wenn man diesen Bereich dazurechnet, kommen die Werbeerlöse in Gänze nicht an das Vor-Corona-Niveau heran. Und Erholung ist nicht in Sicht: "Die konjunkturellen Aussichten für 2023 versprechen keine Besserung", heißt es vom VAUNET. Kein Wunder also, dass die Verantwortlichen der Privatsender auf die Werbeeinnahmen der öffentlich-rechtlichen Radiosender schielen, die sich ja ohnehin zu einem überwiegenden Teil durch den Rundfunkbeitrag finanzieren.

VAUNET © VAUNET
Es ist eine alte Debatte, die nun nach Vorstellung des VAUNET noch einmal Fahrt aufnehmen soll. Von einem "Wettbewerb David gegen Goliath" ist die Rede - und davon, dass der Hörfunkbereich "wieder ausbalanciert" werden soll. "Der Gesetzgeber muss umgehend einen Neustart bzw. eine Neuordnung im dualen System einleiten", fordert Marco Maier, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VAUNET und zugleich Geschäftsführer von Radio/Tele FFH. "Dafür sollte auch der Zukunftsrat die Belange des Privatradios bei seiner Arbeit angemessen berücksichtigen, denn im Radio ist das Ungleichgewicht zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern im Angebotsumfang und dem Finanzierungsrahmen besonders stark ausgeprägt."

Bei besagtem Zukunftsrat handelt es sich um jenes achtköpfige Gremium, das Politikerinnen und Politikern neuerdings in Zukunftsfragen rund um ARD und ZDF beraten und Empfehlungen geben soll, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk aussehen soll. Teil des Rates sind etwa der ehemalige SRG-Chef Roger de Weck, die frühere BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz und die frühere Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel.

"Einstieg in den Ausstieg aus der Radiowerbung"

Die Punke, die der VAUNET in seinem Positionspapier anführt, umfassen unter anderem den "Einstieg in den Ausstieg aus der Radiowerbung der ARD-Hörfunkwellen". Konkret erhoffen sich die Privatsender zunächst eine Begrenzung der Radiowerbung nach dem Vorbild des NDR-Gesetzes, wo schon heute nur noch in einem 60 Minuten pro Werktag in einem einzigen Hörfunkprogramm geworben werden darf. Nach Vorstellung des Privatsender-Verbands soll dieses Modell künftig auf alle ARD-Anstalten ausgeweitet werden. "Das wäre fair - im Werbemarkt, aber auch innerhalb der ARD-Anstalten", sagte Maier am Donnerstag bei einem Pressegespräcj.

Gleichzeitig soll, so fordert es VAUNET, ein Vordringen der ARD-Radiowerbung in lokale und regionale Werbemärkte ausgeschlossen und das Werbeverbot für öffentlich-rechtliche Onlineangebote konsequent umgesetzt werden. Perspektivisch erhofft sich der Verband eine weitere Reduzierung der Hörfunkwerbung in den ARD-Sendern.

Auch mit Blick auf das öffentlich-rechtliche Angebot erhofft sich der VAUNET Veränderungen. Die Rede ist von einer "klar erkennbaren Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme am Auftrag", insbesondere bei reichweitenstarken Radioprogrammen und Zeitschienen. Will heißen: Mehr Kultur und Information etwa bei den jungen Wellen. Zudem sollen "Doppelungen vor allem bei zielgruppenspezifischen und monothematischen Angeboten reduziert werden", heißt es beim VAUNET mit Verweis auf sechs Schlagerwellen, 13 Jugendradios sowie diverse Kultur-, Klassik- und Inforadios. 

Und auch im Netz sehen sich die Privaten einer wachsenden Konkurrenz durch die ARD ausgesetzt. Von mehr als 170 öffentlich-rechtlichen Webchannels und einer "nicht mehr nachvollziehbaren und stetig steigenden Zahl öffentlich-rechtlicher Podcast- und Audio-on-Demand-Angebote im Digitalen" ist die Rede. Diese verstärken nach Auffassung des VAUNET den Druck auf die privaten Anbieter. "In der aktuellen Wettbewerbssituation müssen für beitrags- bzw. beihilfefinanzierte Angebote klare Grenzen definiert werden", sagte Marco Maier. "Ein 'Weiter so' bei Umfang und kommerzieller Ausrichtung öffentlich-rechtlicher Radio- und Audioprogramme führt unweigerlich zum Verlust privater Medienvielfalt in den Bundesländern."

Privatsender setzen weiter auf UKW

Nina Gerhardt © RTL Deutschland Nina Gerhardt
Den Schulterschluss mit der ARD erhoffen sich die Privaten indes mit Blick auf die weitere terrestrische Verbreitung, allen voran mit Blick auf UKW, das noch "hohe Relevanz" besitze und daher eine "existenzielle Bedeutung für Radioprogramme" habe. Nur die gemeinsame Weiterentwicklung der terrestrischen Verbreitung - also UKW und DAB+ - könne zum Erfolg führen, heißt es in dem Positionspapier. Eine mögliche UKW-Abschaltung hätte "ganz schwerwiegende Folgen für den privaten Hörfunk" und würde die Gattung "massiv schädigen", mahnte Nina Gerhardt, CEO von RTL Radio Deutschland und zugleich Mitglied des VAUNET-Gesamtvorstands.

Die Zahlen sprechen für sich: Noch immer ist das analoge UKW in Deutschland der mit Abstand meistgenutzte Radio-Übertragungsweg - aller Bemühungen zum Trotz, DAB+ weiter zu etablieren. Bis weit in die 2030er Jahre hinein dürfte der Shift, so schätzt der Privatsender-Verband, dauern.