Zuletzt musste der "Spiegel" bereits in Sachen Luke Mockridge empfindliche Niederlagen vor Gericht hinnehmen (DWDL.de berichtete), nun hat das Landgericht Hamburg auch einen zentralen Teil eines Textes über Rammstein-Sänger Till Lindemann untersagt. Konkret geht es um den Artikel vom 10. Juni. Hier hatte das Nachrichtenmagazin online unter der Überschrift "Sex, Macht, Alkohol - Was die jungen Frauen aus der Row Zero berichten" (Print: "Götterdämmerung") über Vorwürfe verschiedener Frauen gegenüber Lindemann berichtet.
Das Landgericht Hamburg hat dem "Spiegel" nun jedoch untersagt, den Verdacht zu erwecken, Till Lindemann habe Frauen bei Konzerten der Band mithilfe von K.O.-Tropfen/Drogen/Alkohol betäubt oder betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können. Schertz Bergmann Rechtsanwälte, die in der Sache Till Lindemann vertreten, schreiben in einer Stellungnahme, das Landgericht Hamburg halte unter anderem fest, dass für diesen schwerwiegenden Verdacht an dem erforderlichen Beweisen fehle.
"Keine Aussage der Zeuginnen, welche ihre Angaben an Eides statt versichert haben bzw. gegenüber den Autorinnen der Antragsgegnerin getätigt haben [...] trägt den Verdacht, dass der Antragsteller Frauen bei Konzerten mit Hilfe von K.O.-Tropfen/Alkohol/Drogen betäubt hat bzw. hat betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können", heißt es unter anderem in der Entscheidungsbegründung des Gerichts, das dem Magazin laut Lindemann-Anwalt darüber hinaus noch zwei falsche Tatsachenbehauptungen untersagt hat.
Noch ist die Entscheidung aber nicht rechtskräftig, der "Spiegel" hat angekündigt, Rechtsmittel dagegen einzulegen (siehe Update weiter unten). Die Redaktion wird den Text rund um die untersagten Passagen außerdem ändern. Schon heute findet sich in dem Text eine Stellungnahme von Lindemann-Anwalt Christian Schertz. Die Vorwürfe rund um angebliche K.O.-Tropfen, Drogen und Alkohol in Getränken bezeichnet er als "ausnahmslos unwahr".
Unter dem Artikel steht seit einiger Zeit schon eine Gegendarstellung - die hat Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe erwirkt. Darin stellt Kruspe fest, dass es, anders als vom "Spiegel" berichtet, keinen "lautstarken Streit" zwischen ihm und Lindemann wegen eines weiblichen Fans gegeben habe. Man habe Kruspe vor der Veröffentlichung über die fraglichen Sachverhalt informiert und die Gelegenheit gegeben sich zu äußern, schreibt der "Spiegel". "Die Anfrage ist jedoch unbeantwortet geblieben."
"Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg steht beispielhaft für eine in jüngster Zeit völlig aus dem Ruder gelaufene Verdachtsberichterstattung zum Thema ‘MeToo’", heißt es von Schertz Bergmann Rechtsanwälte in einer Mitteilung zum Thema. "In Kenntnis dessen, dass eine Berichterstattung zu diesem Thema hohe Verkaufs- und Abrufzahlen sicherstellt, ignorieren die Medien zunehmend die Vorgaben, die die Rechtsprechung für eine Verdachtsberichterstattung aufgestellt hat. Immer wieder wird über schwerwiegende Vorwürfe berichtet, obwohl nur einseitige Aussagen vorliegen und strafrechtliche Ermittlungen nicht eingeleitet wurden oder am Anfang stehen. Hierdurch kommt es zu massiven Vorverurteilungen und Verstößen gegen die durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vorgegebene Unschuldsvermutung."
Update (18. Juli, 8 Uhr): Inzwischen hat sich der "Spiegel" gegenüber DWDL.de zum Fall geäußert. Aus Hamburg heißt es, das Landgericht Hamburg sei der eigenen Rechtsauffassung "in entscheidenden Fragen gefolgt" und habe den Verfügungsantrag von Lindemanns Anwalt "in weiten Teilen zu unseren Gunsten zurückgewiesen". Der Kern der Berichterstattung ("perfide Casting-System, reichlich Alkohol und die sogenannte 'Suck-Box'") würden unberührt bleiben, heißt es vom "Spiegel". Außerdem verletze die Berichterstattung auch nicht die Intimsphäre und das Gericht habe die umfangreiche Wiedergabe der Schilderungen zweier Frauen für zulässig erachtet, die von Sex mit Till Lindemann berichtet hatten.
Gleichzeitig räumt der "Spiegel" ein, dass das Landgericht Hamburg einen Part des Textes untersagt hat. Die Rede ist von einem "auf verschiedenen Textstellen basierender konkreter Verdacht" sowie "zwei weitere Einzelangaben". Diese Passagen werde man vorläufig anpassen, so eine Unternehmenssprecherin. Dagegen werde man allerdings weiter mit Rechtsmitteln kämpfen. Dass die Lindemann-Anwälte davon sprechen, dass Gericht habe zwei "Tatsachenbehauptungen" untersagt, bezeichnet der "Spiegel" als "schlicht falsch". Das Gericht gehe auch hier von Verdachtsäußerungen aus.