Als die Sky-Serie "Helgoland 513" vor kaum mehr als zwei Wochen bei der Seriencamp Conference in Köln ihre exklusive Preview feierte, sprach Co-Creatorin Veronica Priefer im DWDL.de-Interview von einer als "Endzeitserie der anderen Art" und versicherte: "Es gibt sie natürlich, die Szenen der Weltuntergangsstimmung." Gemeint war freilich die Serie, doch seit Sky-Deutschland-Chef Devesh Raj die Belegschaft seines Hauses am Donnerstag darüber informierte, dass der Pay-TV-Sender in Zukunft keine fiktionalen Serien mehr produzieren wird, trifft das Zitat auch auf die Stimmung in Unterföhring und in der deutschen Produzentenlandschaft zu.
Dabei hat Priefer noch Glück im Unglück, schließlich konnte die High-End-Dramaserie von UFA Fiction noch produziert werden und wird, ebenso wie die vierte Staffel von "Das Boot", noch den Weg auf den Bildschirm schaffen. Anderen, bereits angekündigten Projekten ist das wahrscheinlich nicht vergönnt. Die Klinikserie "KraNK" etwa sollte in weniger als vier Wochen gedreht werden. 250 Leute standen nach DWDL.de-Informationen bereit, davon alleine 50 in der Ausstattung. Ob die Produktion von Violet Pictures und der Studio-Hamburg-Tochter Real Film Berlin doch noch kommen wird, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, ob es beiden Seiten gelingt, sich auf die Höhe der Abbruchkosten zu einigen.
Offiziell will sich bei Studio Hamburg niemand zu der kurzfristigen Absage äußern, doch man darf davon ausgehen, dass die Verärgerung über die Unzuverlässigkeit, die Sky Deutschland an den Tag legte, groß ist. Unklar ist auch die Zukunft von "Huntsville AL", einem von Zeitsprung, Wildside und Beta Film entwickelten Nazi-Drama, das auf wahren Begebenheiten beruht und in den USA der 1950er Jahre spielen sollte. "Die Stoffentwicklung von 'Huntsville AL' geht weiter", versichert eine Beta-Sprecherin auf DWDL.de-Nachfrage. Demnach arbeite das Autorenteam um Achim von Borries ("Babylon Berlin") und Nadav Schirman ("Der grüne Prinz") an den Drehbüchern. "Zeitsprung, Wildside und Beta führen jetzt Gespräche mit Sky und anderen Partnern, um die Finanzierung der Serie zu sichern", heißt es. Ausgang offen.
Besser ergeht es da schon den Machern von "Public Affairs", einer erst kürzlich von Sky für das kommende Jahr angekündigten Dramedy mit Nilam Farooq und Helgi Schmid in den Hauptrollen, hinter der die in Grünwald ansässige Produktionsfirma Isarstraßen Film steht. Gegenüber DWDL.de bestätigt Produzent Felix Fichtner, der zugleich geschäftsführender Gesellschafter ist, dass sich das Projekt gerade in der Produktionsphase befindet. Wohl dem, der schon mit dem Dreh begonnen hat.
Ganz ähnlich äußert sich Björn Böhning. "Der Produktionsstandort Deutschland lebt von Wettbewerb und Vielfalt. Das Aus der fiktionalen Produktionen eines großen Auftraggebers wie Sky Deutschland ist daher ein doppelt harter Schlag für unsere Branche", sagt der Geschäftsführer der Produzentenallianz gegenüber DWDL.de. "Unsere Medienlandschaft wird ein Stück ärmer. Und die Produktionsunternehmen verlieren einen bedeutenden Partner, der in den letzten Jahren exzellente Produktionen umgesetzt hat." Die überraschende Entscheidung sei daher "nicht nur eine bittere Nachricht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sky, sondern auch eine Katastrophe für den Produktionsstandort Deutschland".
"Budgets werden schärfer kalkuliert"
Doch Deutschland befindet sich in prominenter Gesellschaft: Selbst in Hollywood wird seit Monaten ein massiver Sparkurs spürbar - nach Jahren des goldene Serien-Zeitalters, in dem sich Sender und Plattformen in Folge des Streaming-Booms gegenseitig mit ebenso hocklassigen und teuren Stoffen geradezu überboten. "Wir sind evidenterweise seit Monaten bei einer Art Neuorientierung im Markt und das weltweit, basierend auf einer Neubewertung von Streaming und Investitionen in Fiktion", betont UFA-CEO Nico Hofmann, will jedoch nicht alles schwarzmalen. "Jetzt ist es natürlich Unfug ein Bild zu zeichnen, wonach gerade gar nichts mehr produziert wird." Doch die Auswahl werde härter und im Streaming werde inzwischen ebenso wie im linearen Fernsehen stärker darauf geachtet, welche Qualität für welches Geld erzeugt wird. "Budgets werden schärfer kalkuliert", sagt Hofmann. "Wenn wir uns wiederum die frei empfangbaren Fernsehsender anschauen, dann behaupten die sich nach wie vor sehr gut. Mit 'Ein starkes Team' zum Beispiel holen wir immer noch sehr starke Reichweiten und dabei auch viele junge Zuschauerinnen und Zuschauer."
Ausgerechnet das oft totgeschriebene lineare Free-TV soll nun also die Branche retten? "Dass der Markt zunächst einmal in alle Richtungen ausprobiert, ist notwendig und interessant. Da wurde in vielerlei Hinsicht eine große Bandbreite produziert, nicht nur bei internationalen Streamigdiensten", so Hofmann zu DWDL.de. Seine UFA etwa habe von "Irgendwas mit Medien" bis "Faking Hitler" eine große Spannbreite von Themen realisieren können. "Das war eine sehr bereichernde, aufregende Zeit. Dass irgendwann jeder mal seine Conclusio daraus ziehen wird, ist in Zeiten von knapperem Geld eine Notwendigkeit." Und doch sei es nicht so, dass die Programme weniger spitz sein dürfen, weiß der erfahrene Produzent. "Natalie Scharfs 'Gestern waren wie noch Kinder' fürs ZDF war radikal und hat mich persönlich sehr erreicht. Unsere Fortsetzungen von 'Ku'damm' mit Fragen der sexuellen Identität und 'Charité 4' mit einem Blick in die Zukunft sind Beispiele für unveränderte Themenvielfalt und Mut. Und wenn wir in die Mediatheken schauen, dann entstehen da gerade geprägt von einer neuen Generation ganz andere Formen mit eigenem Stil, Blickwinkel und Inhalten. Es wird vieles anders. Ich bin seit über 30 Jahren in diesem Gewerbe und weiß: So muss das sein."