Im Herbst 2020 startete noch unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn unter der URL gesund.bund.de ein neues Online-Portal, das damit wirbt "Verlässliche Informationen für Ihre Gesundheit" zu geben. Die Aufregung in der Verlags-Branche, die ihre eigenen Angebote dadurch bedroht sah, war groß - und steigerte sich noch, als man kurze Zeit später auch noch eine Kooperation mit Google bekannt gab, das die Antworten des Bundes-Portals auch noch prominent hervorgehoben anzeigte. Es handle sich um einen "einmaligen und neuartigen Angriff auf die Pressefreiheit", wetterte der Zeitschriftenverlegerverband schon damals.

Die Kooperation mit Google ließ man schon wenig später aus wettbewerbsrechtlichen Gründen stoppen, nun sieht es aber so aus, als müsse das Bundesgesundheitsministerium das Angebot - zumindest in der aktuellen Form - komplett einstampfen. Das Bonner Landgericht gab einer Klage des Wort & Bild-Verlags, der beispielsweise mit apotheken-umschau.de in direkter Konkurrenz steht, nun recht. Aus Sicht des Verlags verstößt das Angebot gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und dürfe nicht weiter betrieben werden.

Ein Großteil der auf dem Portal eignestellten Artikel überschreite demnach "die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns", weil sie nicht Hinweise zu akuten Gefahrensituationen, sondern vielmehr allgemeine Infos wie ein Gesundheitslexikon oder Tipps und Ratschläge für ein gesundes Leben enthalten würden. Ein solches Portal sei nicht nötig, um der staatlichen Fürsorgepflicht gegenüber den Bürgern gerecht zu werden und gehe zu Lasten privater Anbieter ähnlicher Formate. Dem Verlag stehe demnach ein Unterlassungsanspruch zu, Schadensersatz wollte man dem Verlag hingegen nicht zubilligen, weil man auch einen konkreten Schaden gar nicht beziffert habe.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, das Bundesgesundheitsministerium kann Berufung einlegen. Ob es dazu kommt, ist noch unklar. Auf DWDL-Nachfrage heißt es aus dem Ministerium, dass man so kurz nach dem Urteil den Richterspruch noch nicht kommentieren könne. "Wir prüfen das Urteil und ziehen dann Konsequenzen", teilt eine Sprecherin mit.

Um so mitteilungsfreudiger ist die Gegenseite. Andreas Arntzen, Vorsitzender der Geschäftsführung des Wort & Bild Verlags, bezeichnete die Entscheidung als "großen Erfolg für das gesamte Verlagswesen und die Pressefreiheit". "Die freie Presse darf als Grundpfeiler für die freie Meinungsbildung nicht von staatlichen Konkurrenzangeboten beeinträchtigt werden. Staatliche Presseangebote wie gesund.bund.de bergen die Gefahr einer Vermischung von objektiv-neutralen Inhalten mit politisch motivierter Berichterstattung und stören so den Meinungsbildungsprozess." Dennis Ballwieser, ebenfalls Geschäftsführer und zugleich Chefredakteur der "Apotheken-Umschau" verweist auf die hohe Qualität der Presse-Angebote: "Die eigentliche Herausforderung ist, seriöse von unseriösen Inhalten unterscheidbar zu machen. Das gelingt nicht, wenn die Politik meint, die Arbeit der Presse selbst machen zu können. Denn das führt bei den Bürger:innen dazu, dass nicht mehr klar ist, wer in der Gesellschaft welche Rolle spielt."

Christoph Fiedler vom Medienverband der freien Presse ergänzt: "Dass ein Bundesministerium ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist ein fataler Tabubruch. Das Nationale Gesundheitsportal ist in dieser Gestalt mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und stellt einen verwerflichen Eingriff in den freien Pressemarkt dar. Daher begrüßen wir das heutige Urteil des Landgerichts Bonn ausdrücklich, das eine grundlegende Entscheidung für den Erhalt einer freien und unabhängigen Presse im digitalen Zeitalter bedeutet."

Mehr zum Thema