Ulrike Demmer wird neue RBB-Intendantin. Die Journalistin und ehemalige Regierungssprecherin erhielt am Freitag vor dem RBB-Rundfunkrat die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen - dafür benötigte sie allerdings vier Wahlgänge. Im vierten und finalen Wahlgang entfielen auf Demmer nach RBB24-Angaben 16 Stimmen - exakt so viele hatte sie mindestens benötigt. Ihre Herausforderin Heide Baumann war zuvor in den ersten zwei Wahlgängen unterlegen und zog ihre Bewerbung daraufhin zurück. In einem dritten Wahlgang trat Demmer dann alleine an - und fiel erneut durch. Erst der vierte Urnengang brachte ihre sichere Wahl.
Aus dem 30-köpfigen Gremium nahmen nur 24 Personen an der Wahl teil. Wie RBB24 berichtet, war auch ein 25. Mitglied anwesend, er oder sie musste die Sitzung jedoch vorzeitig verlassen und konnte dementsprechend im finalen Durchgang nicht mehr abstimmen. Ulrike Demmer wird nun voraussichtlich im Herbst ihren neuen Job antreten, spätestens allerdings am 15. September. Bis dahin leitet Interims-Intendantin Katrin Vernau die Geschäfte. In den kommenden Tagen soll Demmer mit dem Verwaltungsrat ihren Dienstvertrag aushandeln. Ihre Amtszeit beträgt fünf Jahre.
Heide Baumann zog ihre Bewerbung nach dem zweiten Wahldurchgang zurück. Sie erhielt in beiden Wahlgängen nach Informationen von RBB24 lediglich eine Stimme aus dem Rundfunkrat und war damit aussichtslos im Rennen um die RBB-Spitze. Für Ulrike Demmer wenig schmeichelhaft: Trotz der Tatsache, dass ihre Herausforderin so wenig Zuspruch erhielt, schaffte auch sie keine Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Im ersten Wahlgang votierten zehn Mitglieder für keine der beiden Frauen, im zweiten waren es noch neun. Auch im dritten Wahlgang, als niemand anderes mehr neben ihr zur Wahl stand, scheiterte Demmer. Erst bei der vierten Wahl holte Demmer mit 16 Stimmen die nötige Mehrheit. Es hätte keine Stimme weniger sein dürfen, ein Vertrauensbeweis sieht wohl anders aus. Am Freitag beschlossen wurde außerdem, dass Programmdirektorin Martina Zöllner ab sofort auch stellvertretende Intendantin des RBB ist.
Demmer: "Die Herausforderung ist groß"
Ulrike Demmer selbst sagt: "In den vergangenen Monaten haben alle im rbb mit Nachdruck gezeigt, dass sie die Krise des Hauses hinter sich lassen wollen. Ich freue mich darauf, daran jetzt selbst mitarbeiten zu können. Die Herausforderung ist groß, aber ich weiß, dass ich mich in ein starkes Team einreihe, in dem ich gerne Verantwortung übernehmen werde. Aufbauend auf den Maßnahmen der vergangenen Monate machen wir gemeinsam mit den Mitarbeitenden den rbb in Brandenburg und Berlin wieder stark. Mein Ziel: Eine in die nicht-lineare Zukunft weisende Programmvielfalt, die die unterschiedlichen Lebenswelten unseres Sendegebietes abbildet, junge, wie ältere Menschen inspiriert und ihnen eine Stimme gibt."
Der Wahl-Tag beim RBB war, wie schon die Tage zuvor, äußerst turbulent. Die Personelvertreterinnen hatten kurz vor dem Beginn der entscheidenden Wahl-Sitzung einen Abbruch des Verfahrens gefordert. Sie wollten, dass der gesamte Prozess neu aufgelegt wird (DWDL.de berichtete). Dazu ist es dann nicht gekommen, der Rundfunkratsvorsitzende Oliver Bürgel wies zu Beginn der Sitzung darauf hin, dass man die Wahl aus zwei geeigneten Kandidatinnen habe. Außerdem könne man bei einem möglichen Abbruch des Verfahrens die Konsequenzen nicht absehen.
Die Personalvertreterinnen begründeten ihre Forderung vor allem mit dem aus ihrer Sicht beschädigten Wahlverfahren. Das könne man nicht mehr geordnet zu Ende bringen. Für sie war Jan Weyrauch, Programmdirektor von Radio Bremen, der beste der möglichen Kandidaten. Weil der Verwaltungsratschef Benjamin Ehlers aber eine Gehaltsobergrenze als Ausschlusskriterium einführte und sich davon offenbar auch nicht mehr abbringen ließ, zog Weyrauch seine Bewerbung am Donnerstagabend zurück (DWDL.de berichtete). Wenige Tage zuvor hatte auch schon Juliane Leopold, Chefredakteurin Digital bei ARD Aktuell, ihre Bewerbung zurückgezogen. Die Personalvertreterinnen, die auch in der Findungskommission saßen, machten kurz vor der Wahl den Gremienvorsitzenden, besonders Ehlers, schwere Vorwürfe.
"Wir konnten den Rundfunkrat nicht überzeugen"
Sabine Jauer, Vorsitzende des RBB-Personalrats und eine der größten Kritikerinnen des Wahlprozesses, sagt nun: "Wir hatten Kritik am Verfahren. Personalrat und Freienvertretung haben deshalb eine Neuauflage gefordert. Wir konnten den Rundfunkrat davon nicht überzeugen und wünschen Frau Demmer für ihre künftige, nicht einfache Aufgabe alles Gute."
Oliver Bürgel, Rundfunkratsvorsitzender des RBB, erklärte am Freitag nach der Wahl: "Ulrike Demmer wird die Konsolidierung des rbb weiter vorantreiben und neue inhaltliche Akzente für die Zukunft setzen. Beides war dem Rundfunkrat bei seiner Entscheidung wichtig. Der Weg zu dieser Wahl war für alle Beteiligten herausfordernd, wir danken allen Kandidierenden für die Bereitschaft, ihre Kompetenzen in den Dienst des rbb zu stellen. Gleichzeitig gilt besonderer Dank auch der amtierenden Intendantin Dr. Katrin Vernau, die den rbb nach dieser weitreichenden Erschütterung wieder zur Handlungsfähigkeit geführt hat."
Und Benjamin Ehlers, Verwaltungsratsvorsitzender, ergänzt: "Ulrike Demmer hat uns bereits in der Bewerbungsphase überzeugt. Sie hat unser volles Vertrauen und kann die Arbeit mit Rückenwind beginnen. Jetzt besprechen wir im nächsten Schritt ab der kommenden Woche miteinander die Vertragsdetails, damit ein reibungsloser Übergang gewährleistet ist. Dabei wird sich dann auch der genaue Termin der Amtsübergabe klären."
Katrin Vernau wird, wie bereits erklärt, die Geschäfte bis zur Übernahme durch Demmer führen. Danach kehrt sie voraussichtlich zurück zum WDR, wo sie von ihrem Posten als Verwaltungsdirektorin aktuell nur beurlaubt ist. Vernau wollte eigentlich RBB-Intendantin bleiben, beteiligte sich aber nicht am Bewerbungsprozess. Sie sagt: "Ich gratuliere Ulrike Demmer herzlich zur Wahl. Die Entscheidung des Rundfunkrats gibt den Mitarbeitenden des rbb Klarheit und eine Perspektive für die kommenden Jahre, nachdem sie sich in den letzten acht Monaten aus der tiefsten Krise ihrer Geschichte herausgearbeitet haben. Wir werden jetzt für eine vertrauensvolle und geregelte Übergabe sorgen."
Ulrike Demmer ist Journalistin und hat unter anderem schon für das ZDF, das Nachrichtenmagazin "Spiegel", das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) aber auch für RadioEins des RBB gearbeitet. Sie absolvierte die Berliner-Journalisten-Schule und machte danach noch ein Volontariat beim ZDF. Später war sie stellvertretende Leiterin des Hauptstadt-Studios des "Focus" und Leiterin eben dieses Büros beim RND. Während ihrer Zeit beim "Spiegel", unter anderem als Korrespondentin für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, erhielt sie den Deutschen Reporterpreis und den Henri-Nannen-Preis.
Wenn es in den vergangenen Tagen um Demmer als mögliche RBB-Intendantin ging, wurde aber einer ihrer letzten Jobs immer besonders hervorgehoben: Sie war von 2016 bis 2021 stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung. Insofern galt Demmer als gut vernetzt im politischen und medialen Berlin - aber eben mit Polit-Einschlag. Außerdem galt sie als Kandidatin der SPD. Nun muss sie beweisen, dass sie den RBB unabhängig von der Politik führen kann.
Update (19:40 Uhr): Wir haben die Zitate der beteiligten Personen ergänzt.