ServusTV selbst hält sich, angesprochen auf die Meldungen, bedeckt und teilt gegenüber DWDL.de lediglich mit, dass man sich zu Gerüchten grundsätzlich nicht äußere. Das Red Bull Media House will sich überhaupt nicht äußern und verweist wiederum auf die Pressestelle von ServusTV Deutschland. Nach DWDL.de-Informationen hat sich das Unternehmen auch intern bislang nicht zur Zukunft von ServusTV Deutschland geäußert, was naturgemäß die Unsicherheit in der Belegschaft erhöht. Dass Red Bull bei Spekulationen rund um ein mögliches Ende des deutschen TV-Ablegers nicht ganz klar Stellung bezieht und ein Dementi veröffentlicht, sagt aber vielleicht auch schon mehr als genug. Im Flurfunk in Salzburg sind die Gerüchte jedenfalls Thema, wenngleich die Belegschaft noch recht nüchtern darauf blickt. Zu weit weg ist der deutsche Kanal für Angestellte in Österreich.
Fest steht: Nach dem Tod von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist im Konzern vieles in Bewegung und einiges steht auch auf dem Prüfstand. Und auch wenn Mateschitz die operativen Leitung der verschiedenen Konzernteile noch vor seinem Tod geregelt hat, bleibt festzuhalten, dass die thailändische Unternehmerfamilie Yoovidhya die Mehrheit am Konzern hält und in Zukunft wohl eher mehr als weniger mitreden wird.
Schon kurz nach Mateschitz' Tod kamen Spekulationen rund um die zahlreichen Medienaktivitäten von Red Bull auf. Die hatte sich Mateschitz stets gegönnt und daher galten sie in der Branche auch als die Medien, die eine äußerst spitze Zielgruppe haben: Dietrich Mateschitz. Viele von den Medien gelten aber als nicht gewinnbringend, dazu gehört auch ServusTV Deutschland, sagen Experten mit Einblick in die Materie. Erst Anfang des Jahres startete man einen neuen Anlauf, um endlich einen Fuß auf den deutschen Markt zu kommen und nachhaltig zu wachsen. Die neue Vorabendschiene ist zwar professionell von WeltN24 produziert, noch liegen die Quoten aber auf einem enttäuschenden Niveau. Hohe Kosten und geringe Reichweite sind im Fernsehen gewiss keine gute Kombination.
Anders als in Österreich konnte ServusTV in Deutschland nie eine relevante Größe erreichen. Zuletzt lag der Sender bei 0,4 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum, in der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es 0,3 Prozent. Dabei kündigte der Salzburger Privatsender in der Vergangenheit gleich mehrere Deutschland-Offensiven an. Handfeste Ergebnisse gab es selten - im Gegenteil. Inzwischen droht dem Sender ein wichtiges Quoten-Zugpferd abhanden zu kommen: Nach DWDL.de-Informationen gibt es aktuell mehrere finanzstarke Medienunternehmen, die sich für die MotoGP ab der kommenden Saison interessieren und die Preise nach oben treiben. Der aktuelle Vertrag zwischen Rennserie und ServusTV läuft nur noch bis Herbst dieses Jahres. Verliert ServusTV die Rechte, würde auch eines der quotenstärksten Programme verschwinden. Was das für den österreichischen Markt bedeutet, wo ServusTV ebenfalls die Rechte hält, ist unklar. Bislang konnte man durch die Übertragung in beiden Märkten Synergien nutzen.
Auch andere Bereiche müssen sparen
Hinzu kommt die Tatsache, dass der Sender nach einigem Hin und Her inzwischen wieder aus Österreich heraus geführt wird. 2018 trennte man sich vom damaligen Deutschlandchef Matthias Nieswandt aufgrund "unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige, strategische Ausrichtung des Senders". Den ehemaligen A+E-Geschäftsführer Andreas Weinek, einige Zeit lang zuständig für die strategische Ausrichtung sowie das operative Geschäft von ServusTV Deutschland, hielt es nur wenige Monate beim Sender. Der personelle Verschleiß überrascht nicht: Senderchef Ferdinand Wegscheider gilt als komplizierter Zeitgenosse und auch vor Mateschitz hatten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eher Angst als Respekt.
Nun durchleuchtet Red Bull alle Geschäftszweige und ist wohl auch zu Einsparungen bereit. Die Red-Bull-Modemarke Alpha Tauri schloss zuletzt alle drei Stores in Österreich, zwei davon waren gerade mal etwas länger als ein Jahr geöffnet. Um den gleichnamigen Rennstall gibt es aktuell Verkaufsgerüchte. Auch aus diesem Blickwinkel würden Einsparungen bei den Red-Bull-Medien Sinn machen, vor allem bei denen, die den Konzern Geld kosten. In Österreich hat sich ServusTV den Erfolg, hier ist der Sender reichweitenstärkster Privatsender, mit Sportrechten zwar teuer erkauft, aber auch andere Programme laufen gut und der Kanal ist relevant. Ob er auch Geld abwirft, ist unklar. ServusTV und Red Bull geben sich hier stets sehr zugeknöpft.
Sender-Aus? Da war doch mal was...
Vor einigen Jahren hatte ServusTV schon einmal geplant, seinen deutschen Ableger zu schließen. Im Juli 2016 kündigten die Salzburger an, den Sendebetrieb einstellen zu wollen. Schon damals verbrannte der Kanal Geld und es hieß, man wolle sich künftig auf das österreichische Programm konzentrieren. Im Oktober des gleichen Jahres folgte schließlich die Kehrtwende und ServusTV sendete weiter. 2016 war übrigens auch das Jahr, in dem ServusTV grundsätzlich vor dem Aus stand, weil die Belegschaft einen Betriebsrat gründen wollte. Das missfiel Dietrich Mateschitz so sehr, dass er das Aus des Senders ankündigte, nur um wenig später eine Rolle rückwärts zu machen, nachdem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihren Plänen Abstand genommen hatten. Sieben Jahre später gilt ServusTV Deutschland noch immer als nicht vermarktbar, weil oft unklar ist, wofür der Sender als Ganzes überhaupt steht. Oder anders ausgedrückt: Wer ist eigentlich die Zielgruppe, jetzt wo Dietrich Mateschitz nicht mehr ist?
Zuletzt stellte sich Red Bull an entscheidenden Stellen auch personell neu auf. Oliver Mintzlaff, CEO Corporate Projects und Investments und damit verantwortlich für alles bis auf das Geschäft mit den Getränkedosen, ist im Konzern der neue starke Mann. Er machte vor wenigen Tagen Dietmar Otti, bis dahin COO im Red Bull Media House, zum Global Head of Media, also zum Verantwortlichen für alle Medienaktivitäten. Mit der inhaltlichen Leitung und der redaktionellen Führung des gesamten Media Brand Networks verantwortlich ist zudem Andreas Kornhofer. Er soll über alle Medienmarken hinweg auf die Einhaltung von Qualitätskriterien achten - das dürfte vor allem im Hinblick auf ServusTV in Österreich und seine oft umstrittenen Sendungen interessant werden.
Ferdinand Wegscheider verliert Macht
Beim Sender gibt es bereits Personen, die darüber spekulieren, Red Bull könnte mit Hoefer einen potenziellen Nachfolger von Ferdinand Wegscheider installiert haben. Erfahrung hätte der ehemalige Geschäftsführer von Spiegel TV sicherlich. Neben ihm gibt es unter anderem mit Martin Gastinger (ehemaliger ATV-Geschäftsführer, heute Unterhaltungschef bei ServusTV) und Frank Holderied (Leiter strategische Programmplanung und Fiction-Chef) zwei weitere Personen, die in der Branche sehr geschätzt werden, aber im Schatten von Wegscheider und seinen Schwurbeleien stehen.
Der amtierende Chef des Salzburger Privatsenders ist schon seit einigen Jahren umstritten. Seit der Corona-Pandemie inszeniert sich der Sender als Ort für Maßnahmengegner, teils auch mit fragwürdigen Sendungen und Gästen. So gab man lange dem Corona-Verharmloser Sucharit Bhakdi eine Bühne, Wegscheider interviewte ihn höchstselbst. In seinem Wochenkommentar "Der Wegscheider" stellte er auch die Ereignisse des 11. September infrage. Das sorgt intern und extern für Kritik. Zwischenzeitlich verlor ServusTV auch Werbekunden wegen den Äußerungen des Senderchefs (DWDL.de berichtete).
Die Medienbehörde KommAustria, die die Sendelizenz von ServusTV jüngst verlängerte, stellte vor einiger Zeit einen Verstoß gegen das Objektivitätsgebot in der Sendung des ServusTV-Chefs fest, die Rede war von "grob verzerrenden Formulierungen und Darstellungen ohne ausreichendes Tatsachensubstrat". Dagegen hat der Sender Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt, eine Entscheidung in der Sache steht noch aus. Gut möglich, dass sich Wegscheider künftig auch intern genauer auf die Finger wird schauen lassen müssen.