„Beflügelt“ umschreibt die aktuelle Stimmung bei Netflix in Deutschland wohl am Besten. Nach einem schwierigen Jahr 2022, in dem der von der Börse stets geliebte Streamingdienst zwischenzeitlich erstmals Gegenwind verspürte und seine Programmstrategien in mehreren Märkten neu justierte, reitet man derzeit auf der Erfolgswelle des von Edward Berger produzierten Meisterwerk „Im Westen nichts Neues“. Den historischen Erfolg des Films bei den britischen BAFTAs gab es daher auch am Dienstagmittag in Berlin noch einmal zu sehen.
Netflix hatte eingeladen zu seiner Content Show 2023 - um einen Ausblick zu geben, was nach jenem umjubelten Film kommt, der am Sonntag in Los Angeles in gleich neun Kategorien für einen Academy Award nominiert ist. Dort wo einst die ProSieben-Show „Circus Halligalli“ zuhause war, führte am Dienstag Patrice Bouédibéla durch die Programmpräsentation, bei der sich einige Neuankündigungen zwischen bereits angekündigten Projekten einreihten, von denen es teils erstmals Bewegtbild zu sehen gab.
Schon zeitnah starten am 7. April „Transatlantic“, die neue siebenteilige Serie von Anna Winger („Unorthodox“), die sie zusammen mit Camille McCurry und der gemeinsamen Produktionsfirma Airlift Productions realisiert hat. Am 26. Mai folgt „Blood & Gold“ der neue Film von Regisseur Peter Thorwarth („Blood Red Sky“), dessen ungewöhnlicher Film über den zweiten Weltkrieg glücklicherweise nicht am 20. sondern 21. April bei einem Festival in Berlin Weltpremiere feiert, wie er bei der Vorstellung auf der Netflix-Bühne erleichtert feststellt. Das Drehbuch des Film stammt von Stephan Barth. Im Sommer folgt die neue Serie „Schlafende Hunde“ von Real Film Berlin, geschrieben von Christoph Darnstädt, über das verhängnisvolle Öffnen einer eigentlich schon geschlossenen Mordakte.
Bei „Heart of Stone“ handelt es sich um keinen deutschen Film, aber bei dem für den 11. August angekündigten Film spielt auch Matthias Schweighöfer mit, der das neue Film-Projekt auf der Netflix-Bühne in Berlin mit gewohnter Launigkeit zu verkaufen wusste. Kurz zuvor, im Juli, kommt der Film „Paradise“ (Neuesuper) mit Iris Berben und Kostja Ullmann in den Hauptrollen nach einer Geschichte von Peter Kocyla, Boris Kunz und Simon Amberger. Das am Dienstag gezeigte Material der beängstigend-faszinierenden Near-Future-Geschichte ist vielversprechend.
Im Herbst kommt dann das ebenfalls schon einmal angekündigte, sechsteilige Serienprojekt „Liebes Kind“, produziert von Constantin Television und im Frühjahr 2024 sagt Netflix dann „Hello“. Hinter dem Arbeitstitel steckt der schon angekündigte, mysteriöse Mehrteiler, geschaffen von Florian David Fitz (der auch mitspielt), Nadine Gottmann und Kim Zimmermann nach einer Idee von Gottmann und Sebastian Hilger. Das von Bon Voyage Films realisierte Projekt erzählt die Geschichte eines hinterlassenen Rätsels der verschwundenen Paula.
Zwei neue Serien, ein neues Filmprojekt
Doch neben Details zu diesen bereits bekannten Projekten hatte Netflix auch drei neue Produktionen vorzustellen. Zuerst kommen wird „Criminel“, so der Arbeistitel des neuen Serienprojekts von Marvin Kren („4 Blocks“, „Freud“), produziert von Wiedemann & Berg Film. Erste Bilder versprechen eine sehr raue, harte Serie über den folgenschweren Diebstahl einer Münze und eine Jagd über mehrere Ländergrenzen hinweg. Die ersten Bilder, ohne viel Aussagekraft über die Story an sich, versprechen zumindest ein wildes Spektakel.
Und dann hatte Netflix noch zwei neue Projekte fürs 2024 im Gepäck. Im Frühjahr soll der Film „60 Minuten“ von Nocturna und Wiedemann & Berg Television kommen, in dem Emilio Sakraya einen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer spielt, dem in Echtzeit gezeigte 60 Minuten bleiben, um nicht das Sorgerecht für seine Tochter zu verlieren - was ihm droht, wenn er nicht rechtzeitig beim Geburtstag seiner Tochter auftaucht. Regie führt Oliver Kienle (Bad Banks), der zusammen mit Philip Koch auch das Buch geschrieben hat.
Und dann wurde mit „Plötzlich Kanzlerin“ (Studio Zentral & Jünglinge) auf unkonventionelle Weise das vielleicht vielversprechendste Serien-Projekt angekündigt: eine achtteilige Serie über die fiktive konservative Politikerin Christine Kilonzo-Krämer, die nach einem Sex- und Drogenskandal ihres Vorgängers zur ersten schwarzen Kanzlerin Deutschlands wird. Geschrieben wird die neue Serie von Headautorin Amelia Umuhire, zusammen mit Paulina Lorenz und Faraz Shariat, der auch mitproduziert und Regie führt. Netflix kategorisiert das Projekt nicht explizit als Comedy, doch schon die Ankündigung des Projekts lässt eine gewisse Tonalität vermuten.
„Wir sehen die Welt durch Geschichten. Und durch Menschen, die ihre Geschichten mit uns teilen. Menschen, die uns immer wieder Neues erleben lassen. Weil sie uns mitnehmen - auf die nächste Reise, das nächste Abenteuer oder einfach nur in die nächste Pause“, sagte Katja Hofem Vice President Content DACH zu Beginn der knapp anderthalb stündigen Präsentation in Berlin. „Die Suche nach genau diesen Geschichten treibt uns bei Netflix an. Wir sind neugierig auf das Neue. Das Unbekannte. Das Nächste.“
Einen Ausblick darauf, was das bei deutschsprachigen fiktionalen Projekten bedeutet, hat Netflix in Berlin gegeben. Nur zu „Achtsam morden“, eigentlich im Februar 2022 schon angekündigt, gab es in Berlin keine Infos. Doch das Projekt sei weiter in Arbeit, heißt es auf DWDL-Nachfrage. Anwesend war übrigens auch die neue Non-Fiktion-Chefin von Netflix im deutschsprachigen Raum: Was die vor drei Wochen neu angetretene Ex-Sixx-Chefin Wiebke Schodder jedoch abseits von Film und Serie plant - das wird dann in den kommenden Monaten erst zu erfahren sein.