Eine zweite wichtige Frage war der Wunsch, Sie als politischen Journalisten längerfristig zu einem Markenzeichen der ARD zu machen. Das hätte Unterhaltungssendungen bei anderen, also auch bei RTL, nicht berührt, wohl aber Stern TV. Es hätte allerdings vorausgesetzt, dass die ARD Ihnen entsprechend attraktive, zusätzliche Angebote unterbreitet und dass Sie bereit gewesen wären, darüber ernsthaft mit uns zu sprechen. Eine ausschließende Bedingung war dies nicht, aber, wie ich nach wie vor finde, ein legitimer Wunsch. Die ARD konnte und kann kein Interesse daran haben, dass Sie, wie eine Teilnehmerin es ausgedrückt hat, mit ihrer politischen Talkshow am Sonntagabend nur als "verlängerte Werkbank" eines RTL-Moderators erscheint.
Bleibt noch die Frage, ob eine politische Talkshow in die ARD-Koordination Politik, Gesellschaft und Kultur gehört oder nicht. Ich habe es immer für unsinnig gehalten, "Sabine Christiansen" bei der Unterhaltung anzusiedeln. Die Sendung wurde damit der professionellen Kritik der ARD-Chefredakteure entzogen, und dies hat ihr - bei allem Respekt vor Frau Christiansen - nicht immer gutgetan. Ich habe deshalb angeregt, dies zu ändern - und ich komme auch da, um Ihr Wort aufzugreifen, gern aus der Deckung. Wir haben diesen Beschluss übrigens einstimmig gefasst, also mit den Stimmen von NDR und WDR. Haben Ihnen Ihre Gesprächspartner dies nicht gesagt oder haben Sie es in Ihrem Interview absichtlich verschwiegen? Im übrigen ist es blanker Unsinn, was Sie unseren Chefredakteuren so alles unterstellen. Die publizistische und rechtliche Verantwortung für die redaktionelle Gestaltung einer Sendung liegt allein beim jeweils dafür federführenden Sender, das wäre in Ihrem Fall der NDR gewesen. Die Chefredakteure geben Anregungen und üben Kritik, und sie tun dies auf nüchterne, manchmal auch leidenschaftliche, immer aber professionelle Weise und ohne jede Fernsteuerung. Wer immer Ihnen da etwas anderes eingeblasen hat, hat Sie schlicht hinters Licht geführt - aus welchen Motiven auch immer.
Auch ich finde es schade, sehr geehrter Herr Jauch, dass wir nicht zusammenkommen. Aber so ist das nun einmal bei Vertragsabschlüssen - man einigt sich oder man einigt sich nicht, was ist daran eigentlich so schlimm? Wir alle waren daran interessiert, Sie zu gewinnen, sonst hätten wir uns in unserer internen Diskussion nicht so viel Mühe gegeben, die Sache marschierfähig zu machen. Auf der anderen Seite werden Sie verstehen, dass jemand, der für die ARD profilbildend arbeiten will, sich keine Extrawürste braten lassen kann, sondern gerade die Spielregeln akzeptieren muss, die letztlich unsere publizistische Unabhängigkeit garantieren. Dass die ARD gerade hier nach einigen unguten Affären besonders kritisch beobachtet wird, kann doch für uns erst recht kein Anlass sein, jetzt einem einzelnen Moderator zuliebe - und sei er noch so populär - fünfe gerade sein zu lassen. Das müssten Sie doch eigentlich verstehen können.
Und ich denke, Sie halten es auch nicht für Majestätsbeleidigung, wenn man in aller Bescheidenheit darauf hinweist, dass es auch in der ARD eine Reihe profilierter und unabhängiger Köpfe gibt, die zwar nicht so populär sind wie Sie, aber Ihnen, jedenfalls nach meiner Einschätzung, in ihrer journalistischen Potenz nicht nachstehen - Frank Plasberg ist nur ein Beispiel dafür. Sie hingegen können und müssen nun ohne die ARD leben und werden da sicher keinen bleibenden Schaden davontragen, und die ARD wird es umgekehrt auch nicht. Das Ganze ist zwar kein Grund zum Jubeln, aber eine Tragödie ist es nun auch wieder nicht - eher schon eine Komödie, wenn man die öffentlichen Aufgeregtheiten zu ihrem Nennwert nimmt. Aber das muss man ja nicht tun.
Mit besten Grüßen,
Ihr Peter Voß