Geht es nach Cem Özdemir, wird in der Zukunft deutlich weniger für ungesunde Lebensmittel geworben. Der Ernährungsminister stellte vor einigen Tagen das Projekt vor, das unter anderem vorsieht, Werbung für entsprechende Produkte zwischen 6 und 23 Uhr de facto komplett aus dem Fernsehen zu verbannen. Noch ist das Vorhaben nicht fix, denn während Kinderärzte Özdemir für den Vorstoß loben, kommt von anderen Seiten Kritik. Nun hat sich auch der Privatsenderverband VAUNET klar gegen Özdemir gestellt, so befürchtet man unter anderem Auswirkungen auf die Medienvielfalt, sollte der Plan des Ministers umgesetzt werden.
Nach Angaben des Verbands seien die vom Özdemir vorgelegten Eckpunkte zudem "weder erforderlich, konsistent noch evidenzbasiert". Grewenig fordert eine "tiefgreifende Befassung und ernsthafte Abwägungsdebatte, auch unter Einbeziehung der Länder und bestehender Jugendschutzbestimmungen sowie Selbstregulierung der Wirtschaft". Grewenig greift Özdemir und dessen Vorgehen auch ganz direkt an, gab es doch offenbar nur wenige Tage vor den Ankündigungen des Ministers eine Zusammenkunft zwischen Branche und Politik. "Wenn zwischen einer allgemeinen Anhörung der Branche und der Veröffentlichung der Eckpunkte nur wenige Tage liegen, so sagt das auch etwas über die Motivationslage des handelnden Ministeriums aus." Bundesregierung und Parlament müssten nun "dringend in den sachlichen Austausch eintreten" und die "eng definierten Grenzen des Koalitionsvertrags beachten", so der VAUNET-Chef weiter.
"Untaugliche Verbotspolitik"
Der VAUNET fordert unter anderem, wissenschaftliche Fakten in der Debatte nicht auszublenden. "Bisher existierten keine Studien, die eine Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Reduzierung von Übergewicht belegen würden." Damit schlägt man in die gleiche Kerbe, wie es auch schon der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) vor einigen Tagen getan hat. Dort bezeichnete man Özdemirs Vorschläge als "nicht geeignet, zu einer nachhaltigen Reduktion von Übergewicht bei Kindern beizutragen". ZAW-Präsident Andreas F. Schubert: "Die untaugliche Verbotspolitik nimmt in Kauf, die Refinanzierung von Medien und Sport weitgehend zu beschädigen und den Wettbewerb, darin eingeschlossen den Markterfolg von Innovationen, auszuschalten."
Bei dem Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel will sich das Ministerium nach aktuellem Stand an Nährwertprofilen orientieren, die vor einigen Jahren die WHO veröffentlicht hat. Aber auch das wird kritisiert. Die ZAW spricht von einem "intransparenten Prozess" seitens der WHO, durch den Lebensmittel in vermeintlich gute und schlechte Lebensmittel gruppiert würden. Außerdem würde die WHO ganze Produktgruppen per se von der Bewerbung ausschließen. Mit der WHO-Bezugnahme würden rund 80 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel vom Werbeverbot erfasst werden, warnt der Verband.
"Die Behauptung des BMEL [Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Anm.], es gehe um zielgerichtete Vorschläge, ist irreführend. Tatsächlich ist eine massive Überregulierung geplant. Hierfür gibt es jedoch keine tragfähige Grundlage. Weder politisch, noch rechtlich und auch ernährungs- bzw. medienwissenschaftlich. Lebensmittel sind nicht per se gesund oder ungesund", sagt Bernd Nauen, Hauptgeschäftsführer ZAW. "Vielmehr finden alle Lebensmittel in einer ausgewogenen Ernährung ihren Platz. Werbeverbote gehen zudem an den lebenswirklichen Herausforderungen vorbei. Die Wirkung von Werbung im Hinblick auf den kategorialen Verzehr von Salz, Zucker und Fett wird vom BMEL verkannt. Werbung für Lebensmittel hat Einfluss auf die Marktanteile beworbener Produkte. Sie ist erwiesenermaßen aber nicht in der Lage, das Ernährungsverhalten von Kindern ungünstig in Richtung Übergewicht zu beherrschen."