Wenn es Deutschlands Produzentinnen und Produzenten darum ging, Zuversicht in Zeiten wirtschaftlicher Sorgen in den Saal zu holen, dann hatten sie sich genau die richtigen Gastredner ins Berliner Kino International geladen. Medien-Staatsministerin Claudia Roth versprach eine umfassende Neuordnung des Filmfördersystems, ZDF-Intendant Norbert Himmler eine Erhöhung der allgemeinen Handlungskosten für Produzenten und NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski mehr Chancengleichheit im Hinblick auf einen Rechterückbehalt.
Alles in allem vermittelte der Deutsche Produzententag, den die Produzentenallianz erstmals nach der Pandemie wieder in klassischer Form am Eröffnungstag der Berlinale durchführte, ein deutliches Bild: Politik und wesentliche Auftraggeber haben verstanden, wo der Schuh drückt, was Verbandsgeschäftsführer Björn Böhning meint, wenn er im DWDL.de-Interview von einer "toxischen Situation" spricht, in der Produktionsfirmen auf erheblichen inflationsbedingten Mehrkosten sitzen bleiben. Über den genauen Weg aus der Misere mag noch Diskussionsbedarf bestehen, aber zumindest das gemeinsame Ziel scheint klar.
"Vor die Liebe hat das Drehbuch die Leiden gesetzt", stellte die Staatsministerin für Kultur und Medien fest. Um dann aufzuzählen, was bei der deutschen Filmförderung von Bund und Ländern im Argen liegt: "Das Verhältnis von filmischem Angebot und Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer ist nicht gut, zu viele Filme werden von zu wenigen Menschen gesehen", so Claudia Roth. Das Gesamtsystem mit seinen knapp 600 Millionen Euro an jährlichen Fördergeldern sei zu komplex, zu langsam und passe nicht mehr in die Zeit. Der enorme Erfolg des deutschen Films "Im Westen nichts Neues" mit neun Oscar-Nominierungen und weltweiten Abrufen sei großartig – aber: "Das ist eine Netflix-Produktion. Unser Förderwesen bringt solche Erfolge fast nie hervor."
Wie sehr Roths Ankündigungen als Balsam auf geschundene Produzentenseelen wirkten, zeigte sich am wiederholten Zwischenapplaus, lautem Jubel und Standing Ovations. Auch wenn Produzentin Alice Brauner als Moderatorin der Veranstaltung zurecht darauf hinwies, dass die politischen Absichtserklärungen erst noch in die Tat umgesetzt werden müssten. Überhaupt: Die konkreten Vorstellungen, die Politik und Produzenten von bestimmten Instrumenten haben, klaffen zumindest in den Feinheiten auseinander. So warf etwa Max Wiedemann, Chief Production Officer der Leonine Studios und Geschäftsführer von Wiedemann & Berg Film, im Rahmen einer Podiumsdiskussion ein, dass eine Investitionsverpflichtung für Streamer allein noch nicht "alle unsere Fragen" beantworte. Mindestens ebenso entscheidend seien im selben Atemzug Regelungen, die Produzenten im Geschäftsverhältnis zu Streamern ein Mindestmaß an Rechten und Lizenzen garantierten, wie sie beispielsweise schon in Frankreich gelten.
Auf diesen Punkt hob auch Nordrhein-Westfalens Medienminister und Chef der Staatskanzlei ab: "Bevor wir über eine Erhöhung von Fördergeldern nachdenken", so Liminski, "sollten wir an erster Stelle darüber nachdenken, wie wir mehr von dem, was die Produzenten erschaffen, bei den Produzenten belassen können." Das sei die sinnvollste Maßnahme zum Erhalt einer vielfältigen Produktionslandschaft. CDU-Mann Liminski, der seiner grünen Bundeskollegin Roth ansonsten volle Unterstützung für die Reform des Fördersystems zusagte, dankte den versammelten Programmlieferanten ausdrücklich dafür, dass sie in den Corona-Jahren einen "maßgeblichen Beitrag zur sozialen Krisenresilienz" der deutschen Gesellschaft geleistet hätten. Und mit Blick auf die in der ersten Reihe sitzenden ARD- und ZDF-Intendanten fügte er süffisant hinzu: "Die besten Geschichten entstehen schließlich nicht auf dem Mainzer Lerchenberg oder am Kölner Appellhofplatz, sondern in den Büros und Studios der Produzenten."
ZDF-Intendant Himmler – von Alice Brauner angekündigt als "ein Mann, der auch auf dem Cover der GQ sein könnte" – hatte bereits im Vorfeld des Produzententags ein Signal gesetzt, indem seine Anstalt rückwirkend zum Jahresbeginn die allgemeinen Handlungskosten (HU), die für Produzenten kalkuliert werden, je nach Produktionsbudget um bis zu zwei Prozentpunkte erhöht hat (DWDL.de berichtete). Himmler präsentierte das ZDF in Berlin einerseits als "verlässlichen Partner der Produzenten", der in den vergangenen zweieinhalb Jahren über 50 Millionen Euro zum Auffang von Corona-Mehrkosten investiert habe – "Geld, das wir uns vom Munde absparen mussten und nicht von der KEF zurückbekommen werden". Andererseits warb er um Unterstützung bei der angestoßenen Umschichtung von 100 Millionen Euro Programmbudget aus dem Linearen ins Digitale. Dieser Prozess werde nicht ohne die Ideen der Produzenten funktionieren.