Am Donnerstagnachmittag bekamen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von RTL zunächst Outlook-Einladungen, dann informierte auch das Intranet: Am kommenen Dienstag, den 7. Februar, will die Geschäftsführung von RTL Deutschland "über die weiteren Schritte bei Project ONE" informieren. Wer vor lauter Projekten beim einst nicht gerade für solche Turbulenzen bekannten Medienhaus Bertelsmann den Überblick verliert, dem sei geholfen: United war gestern, One ist heute - es geht um die Zusammenführung der bisherigen Aktivitäten von Gruner+Jahr mit dem Geschäft von RTL Deutschland, die in den letzten Wochen schon zahlreiche Schlagzeilen gemacht hat.
Für die Zukunft von Titeln wie "Stern", "Geo", "Brigitte" oder "Essen&Trinken" sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuletzt auf die Straße gegangen. Aus den Redaktionen wurde auch ein Brandbrief an Familie Mohn adressiert. Gespeist ist all das von der Sorge, dass sich die Bertelsmann-Tochter RTL Deutschland im Zuge einer "Portfolio-Analyse" von einem oder mehreren der bisherigen Medienmarken trennen könnte. Bekannt wurde diese nachdem Thomas Rabe im August vergangenen Jahres den früheren Gruner+Jahr-Manager Stephan Schäfer vom Posten des Co-CEO bei RTL Deutschland entfernte, die Aufgabe selbst übernahm und angesichts düsterer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auf Profitabilität pochte.
In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Medienberichte über Verkaufsgespräche mit anderen Verlagen. Seitens Bertelsmann bzw. RTL Deutschland wurde dies stets mit der Aussage "Die Analyse des Titelportfolios läuft. Ergebnisse stehen noch nicht fest, sie sind für das erste Quartal 2023 geplant und werden dann entsprechend kommuniziert" kommentiert. Verkaufsgespräche dementierte man. Das Schweigen zur Strategie, den Spekulationen aber auch dem hausinternen Protest zum Trotz, sorgte für eine Stimmung im Haus, die in Hamburg als "extrem bedrückend" wahrgenommen wurde. Das neue Jahr begann somit, wie das alte endete: Kurz vor Weihnachten war ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach weite Teile des Portfolios zum Verkauf stehen, alles andere als eine schöne Bescherung und sorgte für unruhige Weihnachtstage.
Am kommenden Dienstag soll es jetzt endlich Antworten geben. Um 9 Uhr findet zunächst eine „Townhall Hamburg“ bei G+J am Baumwall statt, so steht es im Intranet von RTL Deutschland. Was dort nicht steht: Schon vorher wird nach DWDL-Informationen ein erweiterter Führungskreis an beiden Standorten informiert. Kleine Randnotiz zum Wording: Während man das grüne Verlagslogo am Hamburger Standort - im Sinne des auf Markenführung fokussierten Projekt United - sehr schnell durch die bunte RTL-Optik auf Beschilderung und Flaggen ersetze, ist der Standort am Baumwall im Eifer der Krisenkommunikation jetzt doch wieder Gruner+Jahr. Auf den 9 Uhr-Termin für die Hanseaten folgt am Dienstag um 10.30 Uhr ein „All Hands RTL Deutschland“-Termin als Videocall für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses.
Es geht um mehr als die Zukunft der G+J-Marken
CEO Thomas Rabe, Stephan Schmitter als Chef für Inhalte und Marken sowie Personalchefin Xenia Meuser werden in Hamburg vor Ort sein, Co-CEO Matthias Dang, COO Andreas Fischer und Finanzchefin Ingrid Heisserer sind aus Köln zugeschaltet. Auch wenn die Einladung neutral gehalten ist und von „weiteren Schritten bei Project ONE“ spricht, ist durch die Priorisierung des Hamburger Standortes anzunehmen, dass es endlich Antworten zur Zukunft der Gruner+Jahr-Titel gibt. Die Sorge, dass allein der „Stern“ erhalten bleibe, ist nach DWDL.de-Informationen unbegründet. Die nächsten Tage werden zeigen, ob darüber hinaus vorab weitere Details durchsickern.
Spannend wird der kommende Dienstag aber auch, weil es mehr offene Fragen gibt als die G+J-Titel in Hamburg: Während öffentlich fast ausschließlich die Zukunft der Gruner+Jahr-Marken diskutiert wurde, umfasst „Project ONE“ noch viel weitgehendere Veränderungen bei RTL Deutschland. Seit Monaten hat man dafür Unternehmensberater im Haus, die nicht nur in Hamburg sondern auch Köln alles auf den Prüfstand stellen. Bei allen Abteilungen wurden Vorschläge für Einsparmöglichkeiten eingefordert, sicher nicht ohne Konsequenzen.
Nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de rechnet man im Hause RTL Deutschland mit einem Stellenabbau in insgesamt dreistelliger Höhe. Ob es auch dazu am Dienstag bereits Informationen gibt, bleibt abzuwarten. Der Februar war für die Kommunikation jedoch angepeilt. Vorsorglich wurde die übliche Karnevalsfeier bei RTL Deutschland schon vor einiger Zeit abgesagt. Der Februar wird spannend, nicht nur in Hamburg.