"Es gibt aus demografischer Sicht gar keine Alternative." So begründet Stephan Schmitter, Programmgeschäftsführer von RTL, weshalb die Kölner Sendergruppe in diesen Tagen einen neuen Anlauf wagt, die Zielgruppe-Definition zu erweitern - von 14-49 auf 14-59. Läge der Branchen-Fokus tatsächlich auf der erweiterten Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen, so käme es zu einigen Verschiebungen im Fernsehmarkt. Eine davon betrifft auch RTL, denn die langjährige Marktführerschaft, mit der sich der Privatsender seit Jahrzehnten rühmt, wäre zumindest 2022 verlorengegangen.
Mit einem Marktanteil von 9,1 Prozent lag RTL bei den 14- bis 59-Jährigen im vorigen Jahr 0,8 Prozentpunkte unter dem Wert aus der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen - gleichauf mit dem Ersten. Marktführer in der erweiterten Zielgruppe war 2022 stattdessen das ZDF, das auf durchschnittlich 9,3 Prozent Marktanteil kam. Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender schneiden somit wenig überraschend klar besser ab als beim Blick auf die 14- bis 49-Jährigen: Das Erste lag hier 1,1 Prozentpunkte über dem bisherigen Zielgruppen-Wert, das ZDF erreichte hier sogar zwei Prozentpunkte mehr. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zahlreiche Sportereignisse die Quoten beider Sender spürbar anfachten.
Und doch kann man in Köln auch deshalb die Zielgruppen-Debatte einigermaßen gelassen führen, weil sich die Marktanteils-Verluste in Grenzen hielten. So würde sich das Minus bei Vox mit 0,5 Prozentpunkten im Vergleich zu den 14- bis 49-Jährigen in Grenzen halten. Ganz anders dagegen die Situation bei ProSiebenSat.1: Zwar erzielten Sat.1 und Kabel Eins in beiden Zielgruppen nahezu identische Marktanteile und Sat.1 läge sogar wieder knapp vor Vox, doch ProSieben wäre der mit Abstand größte Verlierer einer Umstellung auf 14-59. Mit gerade mal noch 5,8 Prozent Marktanteil fiele der Sender vom zweiten auf den vierten Platz der Privaten zurück und musste ganze 2,4 Prozentpunkte weniger hinnehmen als bei 14-49.
Zu erklären ist das mit der jüngeren Positionierung von ProSieben, dem jüngsten aller acht Vollprogramme in Deutschland. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass auch der durchschnittliche ProSieben-Zuschauer inzwischen viel näher an der 49 ist als an der 14. Immerhin 45 Jahre beträgt das Durchschnittsalter von ProSieben. Zum Vergleich: Sat.1 und Vox bringen es auf 54, RTL sogar auf 55 Jahre. Über den gesamten TV-Markt hinweg beträgt das Durchschnittsalter inzwischen sogar 59 Jahre - hier liegen ARD und ZDF mit 64 beziehungsweise 65 Jahren deutlich darüber.
Perspektivisch dürfte das TV-Publikum noch weiter altern. Der Blick zurück spricht hier eine eindeutige Sprache: Machten den 14- bis 49-Jährigen im Jahr 2012 noch 40 Prozent aller Zuschauerinnen und Zuschauer aus, so betrug der Anteil 2022 gerade mal noch 22 Prozent. Auf bei den 14- bis 59-Jährigen sind die Anteile zwar rückläufig, hier ging es jedoch nur von 58 auf 45 Prozent zurück - ein weitaus größeres Stück vom Kuchen also, auf das die Verantwortlichen in Köln um Stephan Schmitter ab sofort schielen.