Noch rund zwei Wochen lang ist Tom Buhrow Interimsvorsitzender der ARD, dann übernimmt turnusmäßig Kai Gniffke. Beide haben eine journalistische Vergangenheit bei ARD-aktuell, beide aber haben auch teilweise unterschiedliche Vorstellungen, was die Zukunft der ARD angeht, wie aktuell ein lesenswertes und langes Interview mit dem Nachrichten-Magazin "Spiegel" herausarbeitet. An nicht nur einer Stelle widersprechen sich die beiden Fernsehmanager: Da sagt etwa Tom Buhrow "Das sehe ich tatsächlich etwas anders, Kai" oder Gniffke erklärt "ich habe diesen Eindruck nicht", als Buhrow die Vermutung äußert, dass es bei der ARD künftig nicht ohne Schrumpfen gehen werde.



Kai Gniffke © SWR/Patricia Neligan Kai Gniffke
Schrumpfen ist aber ein gutes Stichwort, denn Gniffke kündigte schon mal an, im kommenden Jahr "Kompetenzen bündeln" zu wollen. Nicht jeder müsse mehr alles machen. "Nicht jeder Sender wird noch 24 Stunden am Tag eine eigene Kulturwelle betreiben. Das war bis vor einem halben Jahr noch undenkbar", sagt Gniffke, wohl wissend, dass genau das "HalliGalli" verursachen werde, wie er es etwas salopp formuliert. Er selbst wolle beim SWR "mit gutem Beispiel vorangehen" und berichtet von einer derzeit laufenden Überprüfung, eine Hörfunkwelle komplett ins Digitale umzuschichten.

Beschwerden und Aufregung sieht er deshalb schon jetzt auf sich zukommen, erklärt aber auch direkt: "Schon die Leute in meinem Alter nutzen ihr Smartphone häufiger als den Fernseher. Inzwischen kapiert jeder, dass wir das tun müssen, wenn wir uns nicht von Techkonzernen abhängig machen wollen." Vor diesem Hintergrund sei am Dienstag beschlossen worden, dass die ARD 2023 einen linearen Kanal einstellen werde. Nicht wenig deutet daraufhin, dass dies One sein wird.

Tom Buhrow © WDR/Herby Sachs Tom Buhrow
Buhrow kündigte jedenfalls an, mit den Gremium prüfen zu wollen, wie mit One umgegangen wird. Denkbar ist etwa auch eine Verlagerung solcher Marken und Angebote in die Mediatheken. Aber auch andere potentielle Streichkandidaten kommen zur Rede. "Bei ARD alpha müsste das Bayerische Rundfunkgesetz abgeändert werden, bei 3sat müsste vor allem Rheinland-Pfalz einer Flexibilisierung zustimmen", nannte Buhrow Hürden für solche Entscheidungen. Entscheidungen, die freilich Gegenwind verursachen werden - insbesondere bei denen, auf die sie abzielen. "Ich weiß jetzt schon, dass die Betroffenen jaulen und quieken werden, um das zu verhindern. Aber wir werden diese Konflikte aushalten", sagt Gniffke.

Im Schrumpfen per se, das wiederholt Gniffke immer wieder, sieht er aber kein Allheilmittel. "In Zeiten, in denen Elon Musk und chinesische Algorithmen entscheiden, was wir bei Twitter und TikTok zu sehen bekommen, braucht die Gesellschaft einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk", unterstreicht der künftige ARD-Vorsitzende und stellt offen die Frage, wo künftig Meinungsbildung stattfinden solle. Bei Amazon und TikTok und Spotify? Oder auf einer deutschen Plattform? "Ich möchte, dass wir dieser mediale Marktplatz werden. Uns geht es um die Zukunft des Journalismus", so Gniffke.

Einig sind sich beide, dass zuletzt gute Arbeit beim Löschen der Brandherde beim RBB und NDR geleistet wurde. "Wir haben viel Anlass zur Kritik gegeben und Stürme der Entrüstung ausgelöst. Aber wir haben seitdem viel geschafft. Compliance? Done! Transparenz? Done! Aufsicht stärken? Done!", sagt Gniffke, während es Buhrow in der Belegschaft nicht zuletzt wegen der Arbeitsverdichtung noch rumoren höre. Auch deshalb müsse besprochen werden, "was wir weglassen".

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