Für Millionen Fans war Béla Réthy über Jahrzehnte hinweg die Stimme des Fußballs. Am Mittwochabend, pünktlich zu seinem 66. Geburtstag, kommentierte er nun sein letztes Spiel. Mit dem WM-Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko verabschiedete sich der gebürtige Wiener mit ungarischen Wurzeln, dessen Familie kurz nach seiner Geburt nach São Paulo zog, vom Publikum. "Ich wünsche mir fünf bis sechs Tore. Ich wünsche mir, dass das Spiel nach 90 Minuten vorbei ist, damit wir noch ordentlich eine Tasse 'Pfefferminztee' bekommen", ließ Réthy im Vorfeld ausrichten. Zumindest einer seiner beiden Wünsche ging an diesem Abend, der mit einem 2:0-Sieg der Franzosen endete, in Erfüllung.
Réthy kommentiert noch einmal so, wie man es von ihm gewohnt war: Mit Inbrunst und sonorer Stimme traf er im Zusammenspiel mit seinem Co-Kommentator Sandro Wagner ein letztes Mal den richtigen Ton - und sorgte auch für manchen Schmunzler. So wie nach wenigen Minuten, als er nach dem frühen Treffer von Theo Hernández über dessen verletzten Bruder Lucas sprach. "Gut, wenn man so einen Bruder hat", sagte Réthy, woraufhin Wagner ihn fragte: "Hast du auch einen, der dich ersetzen kann?" Réthys trockene Antwort: "Nee, ich bin Einzelkind."
Nach dem Abpfiff richtete Wagner schließlich noch persönliche Worte an Béla Réthy. "Du hast alles erlebt, bist dir immer treu geblieben, nimmst dich nie zu wichtig", sagte der frühere Nationalspieler. "Von ganzem Herzen muss ich sagen: Von dir und deiner Generation können wir Jüngere viel lernen. Danke, Vorbild. Danke, Legende." Kurz darauf richtete auch Réthy nach acht Weltmeisterschaften als Reporter seine Abschiedsworte an das Publikum. "Ich habe versucht, alle zu unterstützen und alle auch irgendwie mitzunehmen. Es freut mich, wenn es gefallen hat. Und sorry an die, die ich nicht erreichen konnte", sagte er. "Das ist nicht immer einfach. Auf jeden Fall muss ich sagen, liebe Zuschauer, war es mir eine große, große Ehre. Tschüss und Adieu."
![Béla Réthy Béla Réthy](http://www.dwdl.de/images/1671054207_bla-rthy.jpg)
Alles sei keimfrei geworden, so Réthys Fazit. "Und in der Bildregie läuft alles nach Schema F. Denken Sie ans Elfmeterschießen Argentinien gegen die Niederlande hier. Dumfries sieht Gelb-Rot, es war nicht im Bild. Erbärmlich! Ich will jetzt gar nicht zu oft "früher" sagen. Aber: Zu einer anderen Zeit haben die Bildregisseure dem Reporter zugehört und kapiert, worum es geht. Und nicht nach ihrem Büchlein gemacht, was von Ligen und Verbänden vorgegeben wird. Wir reproduzieren nur noch, statt zu produzieren. Die Bildregie heute, das ist Zensur."
Dennoch wurde es am Mittwochabend emotional - kurz vor dem Ende der Live-Übertragung, als das ZDF noch einmal zu Béla Réthy schaltete, der im inzwischen fast leeren Stadion in Katar saß und dann doch mit den Tränen zu kämpfen hatte, als ihn das Studiopublikum in Mainz mit Standing-Ovations und dem gemeinsamen Singen von "Ein Béla Rethy, es gibt nur ein Béla Rethy" verabschiedete, lautstark angestimmt von Experte Per Mertesacker. Dessen Kollege Christoph Kramer brachte seinen Abschiedsschmerz kurz zuvor augenzwinkernd auf den Punkt: "Wenn ich 'ne Frau wäre", sagte Kramer, "würd' ich ein Kind von ihm wollen."
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