Es ist später Sonntagabend in New York als die Eilmeldung der US-Medien am Vorabend der International Emmy Awards ein Smartphone nach dem anderen erreicht: Bob Iger ist zurück als CEO der Walt Disney Company - und das weniger als ein Jahr nachdem er sich in den Ruhestand verabschiedet hatte. Mit sofortiger Wirkung ersetzt er Bob Chapek, der 2020 sein Nachfolger wurde. Igers Mission: Der Heiland soll Disney wieder zurück auf die Erfolgsspur bringen.
Ob ihm das besser gelingen kann als Bob Chapek bleibt noch abzuwarten, doch die Bilanz seiner 15 Jahre an der Spitze von Disney von 2005 bis 2020 gilt in der Hollywood-Geschichte als beispiellos und weckt offenbar die Hoffnung, dass er noch einmal den Unterschied machen könnte. Mit den Akquisitionen von Pixar, Marvel, Lucasfilm und 21st Century Fox wurde Iger schließlich zum Architekt einer modernen und erwachseneren Marke, die er aus der Sackgasse der Harmlosigkeit hinausgeführt hat.
Für vorerst zwei Jahre hat Bob Iger sich bereit erklärt wieder als CEO von Disney zu agieren, teilt das Unternehmen mit. Er hat vom Vorstand „den Auftrag erhalten, die strategische Richtung für erneutes Wachstum vorzugeben und eng mit dem Vorstand bei der Entwicklung eines Nachfolgers für die Leitung des Unternehmens nach Ablauf seiner Amtszeit zusammenzuarbeiten.“ Das klingt strategisch, doch die völlig überraschende Rückkehr von Iger - noch dazu mit sofortiger Wirkung - spricht eine andere Sprache.
Bob Chapek hatte in der kurzen Zeit als Disney-CEO ab Februar 2020 mit schwierigen Bedingungen, allem voran der Corona-Pandemie, zu kämpfen. Das Kino-Geschäft, aber bei Disney natürlich auch das Geschäft mit den Freizeitparks, war beeinträchtigt und auch der noch von Bob Iger 2019 aufgesetzte Streamingdienst Disney+ performte anders als zuletzt zumindest von der Finanzwelt erwartet. Zwar wächst Disney+, doch das Wachstum ist teuer erkauft mit einem gerade erst vermeldeten Verlust von 1,5 Milliarden Dollar im vergangenen Quartal. Das gefiel der Börse nicht.
"Wir danken Bob Chapek für seine langjährigen Verdienste um Disney, unter anderem dafür, dass er das Unternehmen durch die beispiellosen Herausforderungen der Pandemie geführt hat", sagt Susan Arnold, Chairman of the Board. "Der Verwaltungsrat ist zu dem Schluss gekommen, dass Bob Iger in der Lage ist, das Unternehmen durch diese entscheidende Phase zu führen, während Disney in eine immer komplexere Phase des Wandels der Branche eintritt.“ Wie zuvor schon Netflix und Warner Bros. Discovery muss auch Disney seine Streamingstrategie neu justieren.
Rekordausgaben oder gar Schulden für immer höhere Investitionen ins Streaming waren nur möglich, so lange die Börse sich erstaunlich naiv blenden ließ vom Traum des grenzenlosen Wachstums. Spätestens seit dem zwischenzeitlichen Netflix-Schock und einer Justierung dort, regiert im Streaming ein neuer Realismus. Iger lässt sich davon aber nicht schocken. "Ich bin äußerst optimistisch für die Zukunft dieses großartigen Unternehmens und freue mich sehr, dass der Vorstand mich gebeten hat, als CEO zurückzukehren", so Iger in dem am Sonntagabend verschickten Statement.
„Disney und seine unvergleichlichen Marken und Franchises haben einen besonderen Platz in den Herzen so vieler Menschen rund um den Globus - vor allem in den Herzen unserer Mitarbeiter, deren Engagement für dieses Unternehmen und seine Mission eine Inspiration ist. Ich fühle mich zutiefst geehrt, dass man mich gebeten hat, dieses bemerkenswerte Team erneut zu leiten, mit einer klaren Mission, die sich auf kreative Spitzenleistungen konzentriert, um Generationen durch unvergleichliches, mutiges Storytelling zu inspirieren."
Was man so sagt eben. Dass durch die Bank alle US-Medienberichte geschockt sind von der überraschenden Personalie - es liegt auch daran, dass der Vertrag des bis eben noch amtierenden CEOs Bob Chapek erst im Sommer bis ins Jahr 2025 verlängert wurde. Mehr noch: Erst vor wenigen Tagen wurden seine Pläne für ein Kostensenkungsprogramm bei Disney bekannt. Geplant waren Einstellungsstopp, Einsparungen und Entlassungen.
Es gilt eine Antwort darauf zu finden, dass Disney im Laufe dieses Kalenderjahres an der Börse mehr als 40 Prozent an Wert verloren hat. Eine Herausforderung vor der jetzt wieder Bog Iger steht. Zum Finale einer Woche, die in Deutschland geprägt war von überraschenden Bekenntnissen des Bertelsmann-CEO Thomas Rabe und dem Ausscheiden von Henning Tewes bei RTL Deutschland, beweist Disney: Auch bei verblüffenden Personalmeldungen spielt Hollywood in einer eigenen Liga.