"Mehr sehen, mehr hören, mehr lesen" - unter diesem Motto stellten der inzwischen gefeuerte RTL Deutschland-Chef Stephan Schäfer und der unter Rabe weiter amtierende Co-CEO Matthias Dang vor einem Jahr in Berlin ihre Zukunftsvision für RTL vor. Zentrales Herzstück des ganzen Angebots sollte RTL+ werden, das neben dem bis dahin noch als TVNow firmierenden Video-Streamingdienst noch um ein Musikangebot, Podcasts, Hörbücher und den Zugang zu digitalen Zeitschriften-Inhalten erweitert werden sollte. Ein Angebot, das es so weltweit noch nicht gab, sagte man. Aber das vielleicht auch aus gutem Grund, wie man inzwischen anfügen möchte.
Denn schon als man im Sommer die Erweiterung um Musikstreaming ankündigte, musste man sich vom vollmundigen Versprechen "One App, All Media" verabschieden. Die Integration geriet technisch offenbar so schwierig, dass man letztlich eine separate RTL+ Musik-App auf den Markt brachte. Dass man sich mit der noch ausstehenden Integration von Publishing-Inhalten kaum leichter tun würde, war schon da abzusehen. Von "One App, All Media" wollte man daher schon damals nicht mehr sprechen, stattdessen hieß die neue Losung "One Subscription, All Media".
Doch selbst daran wird man offenbar nicht festhalten, wie ein Bericht von Marvin Schade bei "Medieninsider" nahelegt, den man seitens RTL nicht kommentieren will. Darin wird umfangreich von einem Auftritt von Bertelsmann-, RTL Group- und RTL Deutschland-Boss Thomas Rabe beim seit Jahresbeginn bekanntlich zu RTL gehörenden ehemaligen Gruner + Jahr in Hamburg berichtet. Rabe hat dort demnach nicht in erster Linie technische Gründe für die Abkehr von der einstigen "One App, All Media"-Strategie angeführt, sondern sie auch inhaltlich abgeurteilt.
Er glaube, alle Inhalte in einer App zu bündeln, würde zu einer Überforderung der Nutzer führen. "Das ist dann die Super-App, die alles kann, aber niemand will", wird Rabe von "Medieninsider" zitiert. Die Marktforschung habe ergeben, dass Nutzer von RTL+ vor allem nach Videoinhalten suchen würden - was die Frage aufwirft, ob man die Marktforschung nicht schon bemüht hatte, bevor man die großen Ankündigungen der alles umfassenden RTL+-App gemacht hatte.
Statt in RTL+ integriert zu werden, will man dem "Medieninsider"-Bericht zufolge nun das Angebot Stern+ ausbauen. Dort sollen demnach künftig auch die Bezahl-Inhalte von "Geo" und "Capital" integriert werden. Bislang hinken alle drei Angebote von Gruner + Jahr in Sachen Digital-Abos weit hinter der Konkurrenz her, der Umsatz soll bei nur rund einer Million Euro liegen, genaue Zahlen zur Zahl der Abos sind öffentlich nicht bekannt.
Dass man von der umfangreichen Integration in RTL+ Abstand nimmt, dürfte nicht zuletzt auch damit zu tun haben, dass die einfachere Lösung auch schneller umsetzbar ist - und man den ohnehin schon gewaltigen Rückstand auf die Konkurrenz nicht noch weiter wachsen lassen will. In einer Zeit, in der das Print-Geschäft angesichts steigender Papierpreise und sinkender Anzeigeneinnahmen stark unter Druck ist, erscheint jedenfalls offensichtlich, warum man hier keine Zeit mehr zu verlieren hat. Immerhin gibt es für die Titel "Stern", "Geo" und "Capital" damit aber einen Zukunftsplan. Ansonsten hat Rabe das Zeitschriften-Portfolio ja bekanntlich generell zur Disposition gestellt. Entscheidungen soll es hier bis Februar geben.