Es ist weniger als ein halbes Jahr her, dass Netflix ein altes Prinzip über Bord warf, das Netflix-Boss Reed Hastings Jahr um Jahr betont hatte: Werbung werde es bei Netflix nicht geben. Doch dann zeigte sich Anfang des Jahres, dass das jahrelang rasante Wachstum der zahlungspflichtigen Streamingdienste doch nicht unendlich ist. Nachdem im ersten Quartal überrasschend sogar einen leichten Rückgang der Abo-Zahlen verkünden musste, folgte wenig später die Ankündigung, noch in diesem Jahr ein teilweise werbefinanziertes und damit günstigeres Abo-Modell an den Start zu bringen.
Gesagt, getan: Tatsächlich startet nun schon Anfang November in zunächst zwölf Ländern der neue werbeunterstützte Tarif, in Deutschland geht es am 3. November um 17 Uhr los. Der Preis unterscheidet sich dabei von Land zu Land und beträgt in Deutschland 4,99 Euro im Monat - womit er beispielsweise 50 Cent unter dem in Italien und ein Euro unter dem in Frankreich liegt. In Großbritannien werden 4,99 Pfund, in den USA 6,99 US-Dollar fällig. Doch zurück nach Deutschland: Es handelt sich somit um einen Nachlass von 3 Euro im Monat, den man auf den bisherigen 7,99-Euro-Basis-Tarif erhält - den es wie alle anderen höherwertigen Tarife auch weiterhin in werbefreier Form geben wird.
Ansonsten umfasst der neue Tarif "Basis-Abo mit Werbung" größtenteils die gleichen Funktionen wie das Basis-Abo ohne Werbung, das in diesem Zusammenhang aber aufgewertet wird. Gab es dort bislang nur SD-Bildqualität, so stehen die Inhalte künftig - ob mit oder ohne Werbung - immerhin in der Auflösung 720p zur Verfügung. Es lässt sich zur gleichen Zeit weiterhin nur ein Stream starten.
Aus lizenzrechtlichen Gründen sind im Werbe-Modell einzelne Filme und Serien nicht zu sehen. Es soll sich aber um maximal fünf bis zehn Prozent des gesamten Angebots handeln - und dieser Anteil soll sukzessive sinken. Außerdem sind im teil-werbefinanzierten Abo-Modell keine Downloads möglich, was darin begründet liegen dürfte, dass die dynamische Werbeausspielung dann nicht funktionieren würde.
Wer die 3 Euro im Monat sparen will, muss dafür im Gegenzug dann etwa vier bis fünf Minuten Werbung pro Stunde hinnehmen. Dabei wird es sowohl sogenannte Pre-Roll-Spots geben, die also vor dem Start einer Serienfolge oder eines Films zu sehen sind, wie auch Unterbrecher-Werbung. Das Netflix-interne Tagging-Team soll aber zumindest dafür sorgen, dass die Unterbrechung nicht inmitten von Szenen auftaucht, sondern an passenden Stellen eingespielt wird. Und anders als man es bei manchem Konkurrent sieht, will man auch verhindern, dass immer wieder der gleiche Spot abgespielt wird - etwas, was erstaunlich viele Anbieter nicht im Griff haben.
Spannend in dem Zusammenhang: Mit der Einführung von Werbung kann Netflix zugleich auch nicht mehr so verschlossen sein, was die eigenen Reichweiten angeht. In Großbritannien hat man bereits angekündigt, an der Reichweitenmessung des Broadcasters Audience Research Board teilzunehmen, das auch mit der herkömmlichen TV-Quotenmessung beauftragt ist. In den USA wird man ebenfalls an einer unabhängigen Reichweitenmessung und hat hier einen Vertrag mit Nielsen geschlossen. Erste Zahlen soll es hier im kommenden Jahr geben.
Für Deutschland gibt es eine ähnliche Vereinbarung - etwa mit der AGF - bislang offenbar noch nicht. Von dort lässt man auf DWDL.de-Nachfrage aber ausrichten: "Die AGF-Messung ist offen für alle, die bereit sind, nach vergleichbaren Grundsätzen an der Messung teilzunehmen. Wir führen in viele Richtungen Gespräche." Man darf also gespannt sein, ob sich auch hierzulande in dieser Hinsicht bald etwas tut und ob das auch über Netflix hinaus mehr Transparenz in den bislang in dieser Hinsicht ziemlich undurchsichtigen Streaming-Markt bringen wird.
Ein Targeting für Werbetreibende soll es vor allem hinsichtlich Land und Genre, in dem ein Spot gebucht ist, geben, außerdem fragt Netflix bei der Registrierung für das werbefinanzierte Abo auch Geschlecht und Geburtstag ab. Verglichen mit den anderen Tech-Plattformen gibt man sich in Sachen Datensammeln und Targeting damit aber recht zurückhaltend. Werbetreibende können aber festlegen dass ihre Werbung bei bestimmten Inhalten nicht erscheinen soll - etwa im Umfeld von Sex, Nacktheit oder Gewaltdarstellungen. Mit DoubleVerify und Integral Ad Science hat Netflix Partnerschaften abgeschlossen, damit Werbekunden sie Sichtbarkeit und Traffic-Validität überprüfen und verifizieren können.
Angaben dazu, wie viele neue Kundinnen und Kunden man mit dem günstigeren Abo-Modell zu erreichen glaubt - und wie viele womöglich aus einem teureren Tarif wechseln (was außer bei einigen Bundle-Angeboten mit längerer Laufzeit ja monatlich möglich ist), wollte man am Donnerstag nicht beantworten und verwies auf den nächsten allgemeinen Ausblick im Zuge der kommenden Quartalszahlen. Zumindest im Werbemarkt sei die Nachfrage aber bereits groß: Es gebe "überwältigendes" Interesse und man werde weltweit mit hunderten Werbekunden starten.