Gerade erst ist Kai Gniffke für das kommende und wohl auch das darauffolgende Jahr das Amt des ARD-Vorsitzenden anvertraut worden, da muss sich der SWR-Intendant von "Bild" eine deftige Schlagzeile gefallen lassen. "So blamierte sich der neue ARD-Chef im TV", ätzte das Springer-Blatt am Freitag und kramte noch einmal drei Entscheidungen aus Gniffkes Zeit als "Tagesschau"-Chef hervor, die nach "Bild"-Auffassung "selbst ARD-intern nicht als journalistische Glanzleistungen" gelten.

Doch ganz unabhängig davon, ob der Messer-Mord eines Offenburger Hausarztes durch einen Asylbewerber vor einigen Jahren in die "Tagesschau" gehört hätte oder nicht. Das Beispiel zeigt: Kai Gniffke wird sich warm anziehen müssen in den nächsten Jahren - vor dem Hintergrund der jüngsten ARD-Skandale werden die öffentlich-rechtlichen Sender verstärkt unter Beobachtungen stehen.

So ist es dann wohl auch zu erklären, dass der SWR-Intendant am späten Nachmittag mit einigen persönlichen Zeilen überrascht, in dem es um seine politische Zugehörigkeit geht. In dem Schreiben, das DWDL.de vorliegt, äußert sich Kai Gniffke zu einer SPD-Mitgliedschaft - kein neuer Fakt, schließlich ist davon schon in Gniffkes Wikipedia-Eintrag die Rede. Doch ganz offensichtlich sah der künftige ARD-Vorsitzende aus aktuellem Anlass die Notwendig einer Einordnung.

Noch länger als er journalistisch arbeite sei er in der SPD, so Gniffke. Eingetreten sei er nach der Abwahl von Helmut Schmidt und "weil ich nach dem frühen Tod meines Vaters eine Familientradition fortsetzen wollte, die bis ins Kaiserreich zurückreicht". Die Gniffkes, so schreibt es der Intendant, "waren ein Jahrhundert lang Sozialdemokraten und haben deshalb unter den Nazis und den Stalinisten weiß Gott nicht nur Vorteile gehabt".

Die Frage, wie er als Parteimitglied neutral sein könne, beantwortet Kai Gniffke mit einem Wort: "Transparenz". "Jeder kann von meiner Zugehörigkeit wissen und selbst beurteilen, ob ich eine Schlagseite habe." Von Journalistinnen und Journalisten erwarte er, dass sie ihre Arbeit "nach professionellen Standards machen und dabei die eigene Meinung von der Arbeit trennen", so Gniffke in seinem Schreiben. "Diesen Anspruch habe ich immer an meine eigene Arbeit gestellt und bin noch niemals wegen politischer Einäugigkeit kritisiert worden. Darauf bin ich stolz und dabei wird es bleiben."

Im Folgenden veröffentlicht DWDL.de das Schreiben von SWR-Intendant Kai Gniffke im Wortlaut:

"Diese Woche hat die ARD festgelegt, dass der SWR im kommenden Jahr den Vorsitz in der ARD übernehmen soll. Keine große Überraschung, und genau deshalb habe ich neulich in unserem Verwaltungsrat minutiös berichtet, welches Auto ich fahre, wie meine Büroausstattung aussieht, wer meine Reisekosten kontrolliert und was ich mit Nebeneinkünften mache. Materiell bin ich damit ziemlich gläsern. Aber was ist eigentlich mit meiner politischen Unabhängigkeit?
Seit mehr als 30 Jahren arbeite ich im politischen Journalismus. Und noch viel länger bin ich Mitglied in der SPD. Ich habe daraus nie ein Geheimnis gemacht, und seit vielen Jahren steht es auch in meinem Wikipedia-Eintrag. In die Partei bin ich 1982 aus zwei Gründen eingetreten. Zum einen weil Helmut Schmidt abgewählt wurde, den ich sehr verehrt habe, zum anderen weil ich nach dem frühen Tod meines Vaters eine Familientradition fortsetzen wollte, die bis ins Kaiserreich zurückreicht. Die Gniffkes waren ein Jahrhundert lang Sozialdemokraten und haben deshalb unter den Nazis und den Stalinisten weiß Gott nicht nur Vorteile gehabt. Und bis heute finde ich, dass unser Land in den zurückliegenden 70 Jahren mit den politischen Parteien nicht schlecht gefahren ist. Deshalb habe ich die Parteien-Verachtung mancher Bürger nie nachvollziehen können.
Natürlich bin ich im Lauf meiner Arbeit als Reporter, landespolitischer Korrespondent, Chefredakteur und jetzt Intendant oft gefragt worden, wie ich als Parteimitglied denn neutral sein könne. Die wichtigste Antwort darauf lautet: Transparenz! Jeder kann von meiner Zugehörigkeit wissen und selbst beurteilen, ob ich eine Schlagseite habe. Viel wichtiger scheinen mir aber folgende Vergleiche: Ein Chirurg, der in CDU ist, wird einen Sozialdemokraten genauso sorgfältig operieren wie einen Parteifreund. Oder: Ein Architekt, der in der AfD ist, wird ein Haus für ein Mitglied der Grünen nach allen Regeln der Statik bauen. Eben weil sie Profis sind. Und genau das erwarte ich auch von Journalistinnen und Journalisten: Dass sie ihre Arbeit nach professionellen Standards machen und dabei die eigene Meinung von der Arbeit trennen. Diesen Anspruch habe ich immer an meine eigene Arbeit gestellt und bin noch niemals wegen politischer Einäugigkeit kritisiert worden. Darauf bin ich stolz und dabei wird es bleiben."
Kai Gniffke