Der RBB ist inzwischen längst nicht mehr der einzige Krisenherd in der ARD, auch der NDR in Schleswig-Holstein sieht sich aktuell starker Kritik ausgesetzt. Hier geht es im Kern um eine zu unkritische Berichterstattung gegenüber der Landesregierung, die Rede war in Medienberichten von einem "politischen Filter" durch Vorgesetzte. So soll kritische Berichterstattung teilweise verhindert und kritische Informationen heruntergespielt worden sein, insbesondere im Falle des Konflikts zwischen dem 2020 zurückgetretenen Innenminister Hans-Joachim Grote und Ministerpräsident Daniel Günther.
Der NDR wies die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück, konnte die Lage damit aber nicht beruhigen. Nun lassen Chefredakteur Norbert Lorentzen und Politikchefin Julia Stein ihr Amt zumindest bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen. Der NDR bestätigte auf Anfrage eine entsprechende Information von "Übermedien" und zitiert Volker Thormählen, Direktor des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, mit den Worten: "Norbert Lorentzen und Julia Stein haben mich am heutigen Nachmittag gebeten, sie bis auf weiteres von ihren bisherigen Aufgaben im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein zu entbinden. Ich habe ihrem Wunsch entsprochen und mich bei ihnen für diesen Schritt bedankt. Ich möchte der guten Ordnung halber daran erinnern, dass die Unschuldsvermutung gilt."
Lorentzen, der damals noch Fernsehchef war, und Stein hatten sich damals dagegen ausgesprochen, dass ein Reporter ein bereits zugesagtes Interview mit Grote führen solle, weil sie nach eigener Darstellung zunächst noch die Recherche abwarten wollten. Der Reporter wandte sich damals an den Redaktionsausschuss, der Ende 2021 zum Schluss kam, dass das Interview hätte geführt werden müssen, da auch das Teil der Recherche gewesen wäre. Die Redaktionsleitung beharrt auf dem Standpunkt, keine Interviews auf Basis unbelegter Informationen anzufragen. Einen Verdacht auf politische Einflussnahme konnte der Redaktionsausschuss damals weder belegen noch ganz ausräumen. Inzwischen ist die NDR-Berichterstattung auch in anderen Fällen kritisiert worden, zudem ist von einer "vergifteten Atmosphäre in den Redaktionen" und einem "Klima der Angst" die Rede.
Mehr als 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDR Schleswig-Holstein hatten in einem Brief an den Funkhausdirektor Anfang der Woche eine lückenlose Aufklärung gefordert. Der Landesrundfunkrat hat am Montagabend eine umfassende Prüfung angekündigt, zu der man "wo es notwenidg ist externen Sachverstand hinzuziehen" werde. Das NDR-Medienmagazin "Zapp" hat unterdessen angekündigt, den ganzen Sachverhalt am Mittwochabend in einer Sonderausgabe im NDR Fernsehen zu thematisieren.