Die ARD kommt einfach nicht zur Ruhe. Über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks (NDR) haben nach Angaben des "Stern" einen Brief an die eigene Funkhausspitze verfasst. In den Zeilen distanzierten sich die Verfasserinnen und Verfasser, offenbar in erster Linie Journalistinnen und Journalisten, vom Verhalten ihrer Chefs. Sie fordern nun eine lückenlose und transparente Aufklärung der Vorwürfe. Worum geht's? 2020 gab es einen Konflikt zwischen Minister Hans-Joachim Grote und Ministerpräsident Daniel Günther. Der dann zurückgetretene Grote sagte einem NDR-Reporter ein Interview zu.
Norbert Lorenzen, damals Fernsehchef und inzwischen Chefredakteur von NDR SH, wie auch Politikchefin Julia Stein verhinderten dieses Interview aber. Auf seiner Homepage stellt es der Sender so dar, dass die beiden erst weitere Recherchen hätten abwarten wollen. Inzwischen ist der Redaktionsausschuss zur Bewertung gekommen, dass das Interview hätte geführt werden müssen, die Redaktionsleitung im Schleswig-Holsteiner Landesfunkhaus bleibt dabei, dass es richtig gewesen sei, keine Interviews allein auf Basis unbelegter Informationen anzufragen.
Den Chefs wird inzwischen aber auch eine besondere Nähe zu Landesregierung nachgesagt. Obendrein geht es inzwischen aber auch um eine mögliche Verschleppung der Berichterstattung im Falle einer Alkoholfahrt eines Politikers im Jahr 2019. "Es ist uns wichtig, dass alle Vorwürfe aufgeklärt werden", heißt es nun in dem Brief an die Chefs. Nur so könne "verlorenes Vertrauen" wieder hergestellt werden. Die Verfassenden des Briefes teilten zudem mit, "schwer erschüttert" zu sein.
Wegen der angeblichen Hofberichterstattung war am Montagabend auch der Landesrundfunkrat zu einer Sitzung zusammen gekommen. Ergebnis: Das Gremium werde nun eine gleichermaßen "objektive" wie "umfangreiche" Prüfung durchführen – wo notwendig, soll auch "externer Sachverstand" einbezogen werden. "Es darf selbstverständlich keine politischen Filter oder eine Arbeitsumgebung geben, die die unangemessene Einflussnahme oder das Durchregieren Einzelner ermöglicht", sagte die Landesrundfunkratsvorsitzende Laura Pooth am Montagabend. "Die Mitglieder des Gremiums werden dafür die notwendigen Unterlagen und Informationen einholen und die erforderlichen Gespräche führen."
Derweil berichtet der "Stern" ohne Nennung von Quellen, dass Lorentzen und Stein inzwischen keine Beiträge mehr abnehmen würden, in denen es um die Vorwürfe gegen den NDR geht. Die Entscheidung sei, so die Zeitschrift, getroffen worden, weil beide sich für in der Sache befangen halten.