Schon bevor sich der Intendant zu Wort meldete, kochte die Stimmung im WDR-Rundfunkrat hoch. Auch wenn bei dessen Sitzung am Mittwochnachmittag im Kölner Wallraf-Richartz-Museum die wichtige Personalie der neuen Doppelspitze im Justiziariat auf der Tagesordnung stand (DWDL.de berichtete), so waren es doch die Auswirkungen des RBB-Skandals, die etliche Mitglieder des öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremiums am meisten umtrieben. Wut und Unverständnis haben sich angestaut – aber auch die Frage, ob und wie man selbst seine Arbeitsweise bei der Kontrolle künftig ändern muss.
Tom Buhrow, dem nun seit knapp zwei Wochen wieder der ARD-Vorsitz zugefallen ist, griff die Stimmung auf und machte deutlich, dass er das Thema in den verbleibenden viereinhalb Monaten bis zur Vorsitz-Übergabe an den SWR proaktiv angehen will. "Ich möchte, dass wir die Verantwortung annehmen, die Kontrollmechanismen ARD-weit zu verbessern", so Buhrow vor dem Rundfunkrat. Sein persönlicher Anspruch sei es vor allem, andere ARD-Anstalten zu motivieren und dabei zu unterstützen, die Geschäftsstellen ihrer Rundfunk- und Verwaltungsräte adäquat auszustatten.
Dass hier ein großes Gefälle innerhalb des Senderverbunds und damit ein Problem für die Qualität der Aufsicht besteht, rechnete Buhrow seinem Gremium vor: Mit zehn Festangestellten in den Geschäftsstellen von Rundfunk- und Verwaltungsrat sei der WDR von allen ARD-Anstalten am besten ausgestattet, während der RBB dafür bislang nur eine einzige Person in der Geschäftsstelle habe. Die Personalstärke und auch die finanzielle Ausstattung der Gremienbüros wirken sich entscheidend darauf aus, wie viel Unterstützung, Recherche und externe Expertise die jeweiligen ehrenamtlichen Gremienmitglieder erwarten können.
"Kleinteilige Aufsicht, wie ich sie von unseren WDR-Gremien gewohnt bin, ist oft genug anstrengend", so Buhrow, "aber sie macht uns unterm Strich besser und sicherer." Das wünsche er sich auch für jene ARD-Anstalten, die aufgrund ihrer Größe weniger Ressourcen zur Verfügung hätten. Denkbar sei es beispielsweise, externe Expertise für die Gremien zwischen mehreren Anstalten zu teilen. Eine komplette Angleichung der Kontrollstrukturen sei jedoch nicht möglich, da jede Anstalt ihrem eigenen regionalen Gesetz oder Staatsvertrag unterliege.
Dass die Kontrolle in Köln weitaus engmaschiger ausfalle als offenbar bisher in Berlin, versuchte Buhrow mit einigen Beispielen zu belegen: Anders als beim RBB gelte in der WDR-Geschäftsleitung für sämtliche Dienstreisen und Bewirtungen das Vier-Augen-Prinzip. Für ihn persönlich heiße das konkret, dass jeder seiner Belege von Justiziarin Eva-Maria Michel gegengezeichnet werden müsse, so wie er umgekehrt deren Belege gegenzeichne. Beim WDR gebe es "keinerlei Boni", und der "Umbau einer ganzen Etage ohne Einschaltung des Verwaltungsrats wäre bei uns undenkbar".
Die Frage, ob die gegenwärtige Aufstellung des WDR-Rundfunkrats optimal oder verbesserungswürdig ist, ob man konkrete Konsequenzen aus der RBB-Affäre ziehen muss oder nicht, entwickelte sich in der Sitzung durchaus zum Streitpunkt. Der Rundfunksratsvorsitzende Rolf Zurbrüggen – entsandt vom Landesverband der NRW-Volkshochschulen – lobte in seiner Einleitung die "gute Ausstattung" und "exzellente Rahmenbedingungen". Für ihn sei es daher "über alle Maßen irritierend", wenn der Rundfunkrat in der "FAZ" von amtierenden Mitgliedern als "Abnickverein" bezeichnet werde. Damit bezog Zurbrüggen sich auf einen Appell für mehr Transparenz im Rundfunkrat von Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister und stellvertretendes Mitglied für den Kulturrat NRW, sowie Ex-Mitglied Jürgen Bremer, Medienrechtler und Journalist, der am 11. August in der "FAZ" erschienen war. Darin fand sich unter anderem die Formulierung: "... diese Kontrolle müsse ein Aufsichtsgremium selbstbewusst wahrnehmen, wenn es nicht als Abnickverein verspottet werden will."
Während manche Rundfunkratsmitglieder in ihren Wortbeiträgen Zurbrüggen unterstützten, mahnten andere mehr Selbstkritik und mehr Transparenz an. So forderte etwa Karin Knöbelspies, von den Grünen im NRW-Landtag entsandtes Mitglied, es sei "allerhöchste Eisenbahn", die Debatte zu führen, "wie wir uns selbt sehen und künftig aufstellen wollen". Nach wie vor würden zu viele Entscheidungen vorab in den politischen Freundeskreisen abgesprochen. Als Rundfunkratsmitglied ohne Freundeskreis, so Knöbelspies, sei man teilweise von Informationen abgeschnitten.