Die ARD hat sich bekanntlich schon seit längerem mehr Transparenz auf die Fahnen geschrieben, auch hinsichtlich der Entlohnung ihrer Spitzenkräfte. So gibt es beispielsweise eine eigene ARD-Seite, die über "Gehälter und Vergütungen in der ARD" aufklären soll. Dort lässt sich unter anderem auch das jährliche Gehalt der Intendantinnen und Intendanten der einzelnen Landesrundfunkanstalten nachlesen, ebenso die durchschnittlichen Vergütungen von Direktorinnen oder Programmbereichsleitern. Im Falle der zurückgetretenen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger belief sich das Jahresgehalt demnach auf 303.000 Euro.
Der Haken liegt am Zusatz "Grundvergütung" - denn wie schon vor einiger Zeit der "Business Insider" berichtete, gab es beim RBB ein System, das der Führungsriege teils deutlich mehr Gehalt als ausgewiesen verschaffen konnte. Seither sind diejenigen, die davon profitierten, damit beschäftigt, das Wort "Boni" tunlichts zu vermeiden und sprechen lieber von "variablen Gehaltsanteilen", die erfolgsbasiert ausgezahlt würden, machen aber um deren genaue Höhe, um die Systematik ebenso wie die vereinbarten Ziele, die es zu erreichen galt, weiter ein großes Geheimnis.
Und so verpasste es also auch der übrig gebliebene Teil der RBB-Geschäftsführung, endlich einmal von sich aus für Aufklärung zu sorgen und reinen Tisch zu machen, stattdessen veröffentlichten nun zum Einen erneut "Business Insider", zum Anderen das journalistische Rechercheteam des RBB Details dazu. Eingeführt wurde dieses System übrigens 2018 nach einer Beratung und das Unternehmen Kienbaum.
Demnach handelt es sich bei den ausgewiesenen 303.000 Euro wie angegeben um das "Grundgehalt". Von diesem werden für die regulären monatlichen Zahlungen allerdings 8,33 Prozent abgezogen, was das sogenannte "Basisgehalt" ergibt. Um an den Rest zu kommen, müssen vorab vereinbarte Ziele erreicht werden. Gelingt dies nicht, bleibt es beim geringeren Basis-Gehalt, doch werden die Ziele nur "annähernd erfüllt", dann wird das reduzierte Basisgehalt um 15 Prozent aufgestockt, liegt dann also schon über dem genannten "Grundgehalt". Werden sie erfüllt, beträgt der Aufschlag 20 Prozent, werden sie deutlich übererfüllt sogar 25 Prozent.
Wie häufig es überhaupt vorkam, dass Personen aus der RBB-Führungsriege aufgrund der Nichterfüllung der Ziele weniger als das angegebene Grundgehalt bekamen, verschweigt der RBB. Laut "Business Insider" wurden allerdings regelmäßig erhebliche Zahlungen über das Basisgehalt hinaus geleistet, allein für die Intendantin und die Direktoren soll es sich um insgesamt mehr als 200.000 Euro pro Jahr gehandelt haben. Laut "Business Insider" habe sich die "variable Vergütung" 2020 für Schlesinger auf 60.000, für den damaligen Verwaltungsdirektor und jetzt amtierenden Intendanten Hagen Brandstäter auf rund 50.000 Euro belaufen.
Die Ziele, die Schlesinger dafür erreichen musste, wurden dabei einzig zwischen ihr und dem Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf verhandelt - selbst dem restlichen Verwaltungsrat waren sie demnach im Detail nicht bekannt, wie die jetzt amtierende Verwaltungsratsvorsitzende König am Dienstag vor dem Landtag sagte. Bis gestern hatte sie noch immer keinen Einblick in diese Unterlagen nehmen können, immerhin sollen sie ihr heute aber zugehen, wie Brandstäter versicherte. Die Zielvereinbarungen mit allen anderen Mitarbeitern wurden direkt mit Schlesinger abgeschlossen. Um welche Ziele es sich handelte, ist auch hier im Einzelnen nicht bekannt, dass es teils auch um Budgeteinsparungsziele ging, räumte Programmdirektor Schulte-Kellinghaus aber ein. Brandstäter selbst gab bei der Landtagssitzung am Dienstag als Beispiel aus seinem Bereich als ein Ziel die Umstellung des Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge an - wobei laut "Business Insider" dabei wohl einiges schief ging, trotzdem aber der volle Bonus bezahlt wurde.
Die Veröffentlichungen zu den Bonuszahlungen, die nicht Bonuszahlungen genannt werden, dürfte die Stimmung in der RBB-Belegschaft jedenfalls im Vorfeld einer eigens zu diesem Thema angesetzten Belegschaftsversammlung weiter anheizen. Das Verhältnis zwischen Führungsebene und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern scheint aber schon jetzt nur noch schwer zu kitten.
Steffen Grimberg, Vorsitzender des DJV Berlin, forderte den umgehenden Stopp des Bonus-Systems - was allerdings als Eingriff in geltende Arbeitsverträge schwer umsetzbar wäre. Seiner Einschätzung zufolge habe das System auch dazugedient, die wahren Bezüge zu verschleiern, womit die RBB-Geschäftsleitung ihre Transparenzbekundungen ad absurdum führe. "Die durchsichtige Wortklauberei des Top-Managements, es gäbe gar keine Bonus-Zahlungen, sondern lediglich ‚leistungsabhängige Gehaltsanteile‘, ist für den rbb in der aktuellen Situation Gift und gegenüber allen festen und freien Mitarbeitenden schlichtweg unverschämt", so Grimberg weiter. "Dass zu den Kriterien für das Erreichen der Bonus-Zielvorgaben auch Sparmaßnahmen und Personalabbau gehörten, wie rbb-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus zugeben musste, schlägt dem Fass den Boden aus." Die besonderen Bedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien mit denen in der freien Wirtschaft, wo Boni häufig an Kennziffern wie Umsätze oder Renditen gekoppelten sind, nicht vergleichbar.