72 Stunden sind seit ihrem Rücktritt als ARD-Vorsitzende vergangen, da folgt schon der nächste Rücktritt von Patricia Schlesinger: Wie am Sonntagabend bekannt wurde, legt sie mit sofortiger Wirkung auch ihr Amt als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) nieder und tritt damit als Chefin des öffentlich-rechtlichen Senders zurück. Die Leitung des RBB übernimmt ab sofort Hagen Brandstätter, der stellvertretende Intendant.
Schlesinger teilte ihre Entscheidung am Sonntag den Vorsitzenden des Rundfunk- und des Verwaltungsrat mit. "Meine Verantwortung gilt dem RBB und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aktuell steht nicht mehr die journalistische und publizistische Leistung des Senders im Vordergrund, sondern es geht nur um mögliche und angebliche Verfehlungen der Intendantin", erklärte Patricia Schlesinger in einem Statement. "Das bedauere ich sehr und ich entschuldige mich bei den Beschäftigten des RBB für diese Entwicklung."
Der Rückzug sei für sie "eine logische Konsequenz aus meinem Versprechen, immer und zuerst für die Belange des RBB einzutreten", so Schlesinger weiter. "Gleichzeitig haben persönliche Anwürfe und Diffamierungen ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben. Ich hoffe, dass ich mit diesem Schritt die anstehende Aufklärung der Vorwürfe erleichtere. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter hohem Rechtfertigungsdruck, der RBB beweist linear und non-linear jeden Tag, warum er für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Dieser Aufgabe muss sich der RBB mit aller Kraft widmen können. Dem dürfen Vorwürfe gegen mich nicht im Wege stehen."
Bis zuletzt hatte Schlesinger die Vorwürfe zurückgewiesen - und sich mehrfach gegen Rücktrittsforderungen gewehrt. "Die Geschäftsleitung des RBB und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen und unser Hauptaugenmerk auf den RBB zu richten", erklärte sie noch am Donnerstag, als sie ihren Rückzug vom ARD-Vorsitz ankündigte. Unklar bleibt, weshalb sie glaubte, die Gemüter dadurch beruhigen zu können - ihr scheibchenweiser Rücktritt passt jedoch ins Bild, machte Schlesinger in den zurückliegenden Wochen doch auch hinsichtlich der Krisen-Kommunikation eine eher unglückliche Figur.
"Der richtige Schritt"
Mit weiteren Äußerungen ist indes vorerst nicht zu rechnen. Für weitere Statements oder Interviews stehe Schlesinger aktuell nicht zur Verfügung, teilte der RBB am Abend mit. Gut möglich jedoch, dass sie mit ihrem jetzt bekannt gewordenen Rücktritt einem Vertrauensentzug durch den Rundfunkrat zuvorgekommen ist. Dieser hatte angekündigt, am Montag außerplanmäßig tagen zu wollen "Wenn Patricia Schlesinger ihr Amt aufgibt, ist das in der aktuellen Situation der richtige Schritt, weil die umfangreichen Vorwürfe nun unabhängig vom Alltagsgeschäft im RBB geklärt werden können", sagte Friedrike von Kirchbach, die Vorsitzende des RBB-Rundfunkrats. "Ich danke ihr deshalb für diese weitreichende Entscheidung. Der Rundfunkrat wird sich am Montag in seiner Sondersitzung mit der neuen Situation auseinandersetzen können und beraten, wie nun die nächsten Schritte aussehen müssen."
Ins Rollen geraten war die Debatte um Schlesinger nach mehreren Berichten von "Business Insider". Das Springer-Magazin hatte über ein "System aus gegenseitigen Gefälligkeiten" zwischen der RBB-Intendantin und dem RBB-Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf berichtet, der sein Amt derzeit ruhen lässt. In seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Messe Berlin habe Wolf Schlesingers Ehemann "lukrative Aufträge" zugespielt, so der Vorwurf.
Darüber hinaus geht es um das geplante Digitale Medienhaus des RBB, das bis 2026 verwirklicht werden soll. Auch hier stehen Vorwürfe gegen den RBB im Raum, die sich unter anderem auf die Beschäftigung von Beratern für das millionenschwere Immobilienprojekt beziehen. In diesem Fall hatte der Sender kürzlich eine vorläufige Unterbrechung der Planungs- und Umsetzungsarbeiten beschlossen. "Alle sollen sicher sein, an einem zweifelsfrei korrekt aufgesetzten Projekt mitzuwirken", erklärte Schlesinger den radikalen Schritt vor wenigen Wochen.
Die Liste der Vorwürfe gegen die Intendantin ist aber noch länger. So geht es etwa um dienstliche Abendessen, die Patricia Schlesinger in ihrer privaten Wohnung veranstaltet haben soll. Und neuerdings steht auch noch ihr Dienstwagen im Zentrum der Kritik, den sie laut "Business Insider" auch nicht nur dienstlich in Anspruch genommen haben soll. In dem Bericht ist die Rede von einem Audi mit Massagesitzen im Wert von 145.000 Euro, der zum sogenannten "Regierungspreis" angemietet worden sein soll. Demnach soll der Autohersteller ihr einen Nachlass von fast 70 Prozent gewährt haben, was der RBB als "branchenüblichen Firmenrabatt" bezeichnete. All diese Vorwürfe sind Gegenstand einer Compliance-Untersuchung, mit der der RBB eine externe Kanzlei beauftragt hat.
Seit 2016 an der RBB-Spitze
Patricia Schlesinger war seit 2016 die Intendantin des RBB. Zuvor war sie Leiterin des Programmbereichs Kultur und Dokumentation beim Norddeutschen Rundfunk (NDR). Patricia Schlesinger kam 1961 in Hannover zur Welt. Sie volontierte beim NDR, berichtete aus Singapur und war Moderatorin bei "Panorama". Von 2001 bis 2004 war Schlesinger USA-Korrespondentin in Washington, 2006 übernahm sie die Führung der Abteilung Dokumentation & Reportage beim NDR. Ihre zweite Amtszeit als RBB-Intendantin wäre ursprünglich noch bis 2026 gegangen.