Die ARD wählte einen etwas überraschenden Weg: Nicht per Mitteilung, sondern zuallererst mit einer kurzen Meldung in der 20-Uhr-Ausgabe der hauseigenen "Tagesschau" wurde das verkündet, wofür sich die Anzeichen zuletzt schon verdichtet hatten: Patricia Schlesinger gibt angesichts des Unmuts in anderen ARD-Anstalten den ARD-Vorsitz, den sie Anfang des Jahres übernommen hatte, ab. Ihre normale Amtszeit hätte noch bis zum Jahresende gedauert und wäre nach ARD-Gepflogenheiten üblicherweise um ein zweites Jahr verlängert worden.
Dem Rundfunk Berlin-Brandenburg will Schlesinger aber trotz der zahlreichen Vorwürfe weiterhin vorstehen - Rücktrittsforderungen hier hatte sie schon mehrfach zurückgewiesen. Schlesinger erklärte nun laut nachgeschobener RBB-Mitteilung: "Wir werden mit allen beteiligten Stellen in der ARD für einen reibungslosen Wechsel Sorge tragen. Die öffentliche Diskussion um in meinen Verantwortungsbereich fallende Entscheidungen und Abläufe im RBB berührt inzwischen auch die Belange der ARD. Die Geschäftsleitung des RBB und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen und unser Hauptaugenmerk auf den RBB zu richten. Deshalb geben wir den Vorsitz innerhalb der ARD jetzt ab und danken den anderen Sendern für ihre Bereitschaft, uns diesen Schritt zu ermöglichen."
In der offiziellen Mitteilung heißt es nun, die Intendantinnen und Intendanten "begrüßen die Entscheidung des RBB" - die nicht zuletzt nach dem immer lauter geäußerten Unmut innerhalb zahlreicher ARD-Anstalten unausweichlich wurde. In die Bresche springt nun erst einmal bis zum Jahresende wieder der WDR, der in den vergangenen beiden Jahren den ARD-Vorsitz innehatte, damit ist also WDR-Intendant Tom Buhrow nun wieder Vorsitzender und vertritt die ARD nach außen.
Im kommenden Jahr wird der Vorsitz dann voraussichtlich an den SWR übergeben, der turnusgemäß eigentlich erst 2024 an der Reihe gewesen wäre, somit würde Kai Gniffke dann neuer ARD-Vorsitzender. Eine endgültige Entscheidung fällt allerdings erst auf der kommenden ARD-Hauptversammlung der ARD in Bremen im September- nachdem der SWR seine Bereitschaft erklärt hat, bestehen an der Wahl aber kaum ernsthafte Zweifel.
"System aus gegenseitigen Gefälligkeiten"
Ins Rollen geraten war die Debatte um Schlesinger nach mehreren Berichten von "Business Insider". Das Springer-Magazin hatte über ein "System aus gegenseitigen Gefälligkeiten" zwischen der RBB-Intendantin und dem RBB-Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf berichtet, der sein Amt derzeit ruhen lässt. In seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Messe Berlin habe Wolf Schlesingers Ehemann "lukrative Aufträge" zugespielt, so der Vorwurf.
Darüber hinaus geht es um das geplante Digitale Medienhaus des RBB, das bis 2026 verwirklicht werden soll. Auch hier stehen Vorwürfe gegen den RBB im Raum, die sich unter anderem auf die Beschäftigung von Beratern für das millionenschwere Immobilienprojekt beziehen. In diesem Fall hatte der Sender kürzlich eine vorläufige Unterbrechung der Planungs- und Umsetzungsarbeiten beschlossen. "Alle sollen sicher sein, an einem zweifelsfrei korrekt aufgesetzten Projekt mitzuwirken", erklärte Schlesinger den radikalen Schritt vor wenigen Wochen.
Die Liste der Vorwürfe gegen die Intendantin ist aber noch länger. So geht es etwa um dienstliche Abendessen, die Patricia Schlesinger in ihrer privaten Wohnung veranstaltet haben soll. Und neuerdings steht auch noch ihr Dienstwagen im Zentrum der Kritik, den sie laut "Business Insider" auch nicht nur dienstlich in Anspruch genommen haben soll. In dem Bericht ist die Rede von einem Audi mit Massagesitzen im Wert von 145.000 Euro, der zum sogenannten "Regierungspreis" angemietet worden sein soll. Demnach soll der Autohersteller ihr einen Nachlass von fast 70 Prozent gewährt haben, was der RBB als "branchenüblichen Firmenrabatt" bezeichnete. All diese Vorwürfe sind Gegenstand einer Compliance-Untersuchung, mit der der RBB eine externe Kanzlei beauftragt hat.