"Unruhige und schwierige Zeiten" habe die Fernsehbranche durchlebt, sagte Frank Giersberg, Geschäftsführer des Privatsender-Verbands VAUNET, am Mittwoch beim jährlichen Pressegespräch über die aktuelle Situation von Pay-TV und Streaming in Deutschland. Und wer sich die aktuellen Zahlen zur Inflation ansieht, kann erahnen, dass die Zeiten weiterhin unruhig bleiben werden - erst recht für ein Geschäftsmodell, das darauf abzielt, dass die Nutzerinnen und Nutzer ihre Portemonnaies öffnen. "Wir stehen vor großen Herausforderungen", ergänzte Giersberg sogleich.

Doch aller Herausforderungen zum Trotz herrscht Zufriedenheit, immerhin hatten der VAUNET-Chef und die Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Pay-TV-Anbieter einige Rekordzahlen im Gepäck. So sind die Gesamtumsätze aus Pay-TV und Paid-Video-on-Demand in Deutschland im vergangenen Jahr um 13,1 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro gestiegen. 2022 werden diese voraussichtlich um weitere 8,8 Prozent auf erstmals über fünf Milliarden Euro wachsen, so die Prognose. Rechnet man Österreich und die deutschsprachige Schweiz dazu, so beträgt das Gesamtvolumen schon jetzt 5,6 Milliarden Euro - hier soll es sogar auf über sechs Milliarden nach oben gehen. Bemerkenswert ist, dass die Umsätze im SVoD-Bereich 2022 wohl erstmals höher ausfallen werden als im Pay-TV-Segment, wo die Zahlen seit Jahren ziemlich stabil sind.

Pay-TV-Umsätze 2022 © VAUNET

Die Zahl der klassischen Pay-TV-Abonnenten in Deutschland steigt daher inzwischen nur noch leicht - auf 8,1 Millionen, wie der Verband mitteilte. Von bis zu 22,6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern ist die Rede, während die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten von SVoD-Angeboten zum Jahresende 2021 bei 19,3 Millionen lag. Für das laufenden Jahr rechnet VAUNET damit, dass die Marke von 20 Millionen überschritten wird. "Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache", sagte Tim Werner, der nicht nur Vorstandsvorsitzender der Mainstream Media AG mit Sendern wie Romance TV und Heimatkanal ist, sondern auch Vorsitzender des Arbeitskreises Pay-TV im VAUNET ist. "Sie zeigen, dass sich Pay-TV und bezahlte Videoinhalte weiterhin auf einem Wachstumskurs befinden."

Für Hannes Heyelmann, EVP & General Manager GSA bei Warner Bros. Discovery, zeigen die Zahlen, "dass das Wachstum der letzten Jahre beim Pay-TV und beim SVoD auch in einem schwierigen Umfeld nachhaltig" sei. Elke Walthelm, unter anderem Mitglied der Geschäftsführung von Sky Deutschland, sieht ihr Haus in der Strategie bestätigt, "auch künftig umfangreich und konsequent in Content zu investieren". Nicole Agudo Berbel, Geschäftsführerin der Seven.One Entertainment Group, wiederum verweist auf "mehr vermarktbare Gesamtreichweite für unsere Inhalte".

Preise "durchaus konsumentenfreundlich"

Doch wie groß wird die Bereitschaft für Pay-TV und SVoD sein, sollte die Inflation weiterhin so groß sein? Beim Pressegespräch gaben sich die Beteiligten betont gelassen. Agudo Berbel etwa verwies auf die gemeisterte Corona-Krise, die ja ebenfalls ein gebremstes Wirtschaftswachstum nach sich gezogen hat. "Wir glauben sagen zu können, dass sich die Abo-Entwicklung mehr oder weniger stabil halten wird, weil der Medienkonsum in Zeiten wie diesen wächst, die Menschen diese Inhalte suchen und vielleicht auch ein Stück weit brauchen, um sich vom Alltag zurückziehen zu können." Ohnehin seien die Preise so ausgerichtet, dass sie "durchaus konsumentenfreundlich" sind.

Pay-TV-Umsätze 2022 © VAUNET

Von möglichen Preiserhöhungen der Angebote war nicht die Rede. Bei manchen Anbieter könnten die Preise tendenziell sogar eher sinken, weil - wie im Falle von Netflix - vergünstige, werbeunterstützte Modelle eingeführt werden. Diesbezüglich haben viele deutsche Marktteilnehmer einen Vorteil. "Für uns ist es kein neuer Gedanke, wie man Pay-TV mit Werbung kombiniert", betonte Sky-Managerin Elke Walthelm und zeigte sich von dem angekündigten Schritt von Netflix dann auch "nicht übermäßig überrascht". Auch Henning Nieslony, Co-Chief Streaming Officer bei RTL Deutschland, sieht sich vor diesem Hintergrund mit RTL+ gut gewappnet. "Es bestätigt, dass wir den Kundinnen und Kunden künftig alle Geschäfts- und Vermarktungsmodelle werden anbieten müssen."

Tatsächlich will RTL+ noch in diesem Jahr einen Schritt weitergehen und das Angebot um Musik, Podcasts, Hörbücher und digitale Zeitschriften ergänzen. "Wir sind davon überzeugt, dass in einem fragmentierten Markt die Faktoren inhaltliche Vielfalt, Einfachheit und Preis entscheidend sind, um langfristig erfolgreich sein zu können." Vorschnell auf die Inflation zu reagieren, hält Nieslony daher für den falschen Weg. "Es gibt viele Einflussfaktoren und die Inflation ist nur eine davon", so der RTL-Manager. Sein Credo: "Ruhe bewahren."