Nach massiver Kritik, auch aus dem eigenen Haus, an einem in der "Welt" erschienenen Gastkommentar über angebliche "Transgender-Ideologie" bei ARD und ZDF, hat sich Axel Springers Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner genötigt gesehen, einen Text in eigener Sache zu veröffentlichen - und sich von den Äußerungen der Autorinnen und Auttoren klar distanziert.
In der Sache sei der Beitrag "unterirdisch", schrieb Döpfner. "Pauschal werden 'die' öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für ihre Berichterstattung über transsexuelle Identitäten bei Kindern und Jugendlichen kritisiert. Pauschal wird impliziert, dass es nur zwei Geschlechtsidentitäten gibt. Wissenschaftlich ist der Text bestenfalls grob einseitig." Zugleich sei der ganze Ton "oberflächlich, herablassend und ressentimentgeladen", so Döpfner. Der Text habe einen "Sound, der für jeden freien toleranten Geist unangenehm ist" und sei für alle, die sich der LGBTIAQ*-Community zugehörig fühlten, "eine Verletzung und Zumutung". Das sei "schade oder sogar schlimm", weil das in dem Text angesprochene Thema "ein ausgesprochen wichtiges und heikles" sei.
Zuletzt war der Text auch intern scharf kritisiert worden. Das Queer-Network von Axel Springer hatte am Donnerstag auf Instagram erklärt: "Wir teilen die Meinung aus diesem Beitrag nicht, wir widersprechen vehement." Es sei "diffamierend, Transmenschen politischen Lobbyismus im Zusammenhang mit ihrer Darstellung in der öffentlich-rechtlichen Medien zu unterstellen", so die "queerseite". Die Darstellung sei inakzeptabel. "Diese Haltung stellt für uns kein freiheitliches Weltbild dar!"
"Unser Haus steht für Vielfalt"
Unterdessen übte sich Mathias Döpfner in seinem Statement im Spagat und erklärte, dass die Funktion "Funktion des Gastkommentars" nicht ignoriert werden dürfe. Dessen Idee sei es, das Spektrum des Sagbaren bis an die Grenzen auszuloten und auf diese Weise Debatten anzustoßen. "Deswegen schreiben da oft Autoren, die nie Eingang in normale Kommentarspalten finden würden", so Döpfner. Diese seien letztlich nicht die Stimme der Redaktion, die ohnehin nicht einheitlich denke, sondern ein diverses Meinungsspektrum verkörpere. "Und erst recht nicht handelt es sich hierbei um die Stimme des ganzen Hauses. Unser Haus steht für Vielfalt. Also auch und gerade für Meinungsvielfalt."
Dass die Uhlala-Group nach der Veröffentlichtung des Gastkommentars entschied, Axel Springer von der queeren Job-Messe Sticks & Stones auszuladen, kritisierte Döpfner, weil dadurch knapp 18.000 Mitarbeitende "pauschal in Mithaftung genommen" würden. "Es ist eine fast tragische Pointe, wenn ausgerechnet der Kampf für Vielfalt und Inklusion, für Toleranz und Freiheit der Lebensformen mit den Mitteln von Ausgrenzung, Intoleranz und Unfreiheit geführt wird", so der Springer-Boss.