Erst kam das Wasser, dann Verwüstung, Leid und Tod. Im Juli jährt sich die furchtbare Hochwasserkatastrophe, die im Juli 2021 besonders Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen traf. Insbesondere im Juli plant der SWR daher einen Programmschwerpunkt "Die Flut – Ein Jahr danach", wie der Sender am Freitag auf einer Pressekonferenz bekannt gab. Am zweiten Juli-Samstag ist etwa eine Live-Sendung mit dem Arbeitstitel "Ein Jahr danach" im SWR geplant.

 

Das Erste wird am Mittwoch, 13. Juli, einen kritischen Blick auf die damals dramatischen Stunden werfen. "Die Flut – Chronik des Versagens" wird zur besten Sendezeit laufen. In dem 60 Minuten langen Format sollen unter anderem auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft begleitet werden – zudem wird in der Produktion, die gemeinsam mit dem WDR entsteht, die Flutnacht minutiös aufgearbeitet werden. In der ARD Audiothek wird ab Anfang Juli ein Podcast namens "Die Flut – Warum musste Johanna sterben?" erscheinen. Host Marius Reichert wird darin die Familie eines Todesopfers begleiten. Fortgesetzt wird die Audiothek-Reihe "Ein Dorf baut auf" rund um Menschen in Dernau (Kreis Ahrweiler) beim Wiederaufbau ihrer Existenz.

 

"Wir hätten besser sein können. Und wenn, was der Herr verhindern möge, nochmals so ein Ereignis eintritt, werden wir besser sein." Kai Gniffke über die Arbeit des SWR in der Flutnacht im Juli 2021.

 

Thematisiert wurde auch nochmals die kritische Aufarbeitung der Berichterstattung des SWR in jener Flutnacht. "Ich vertrete die Meinung, dass wir immer lernen müssen", sagte Ulla Fiebig, seit wenigen Wochen SWR-Landesdirektorin von Rheinland-Pfalz. Prozesse seien überprüft worden und Veränderungen verabredet. Fiebig: "Wir haben unter anderem die Alarmketten innerhalb des SWR optimiert." Klartext sprach auch Intendant Kai Gniffke: "Wir werden die Frage, ob wir gar Menschen leben hätten retten können, nicht mehr los. Wir werden die Frage aber nicht beantworten können", ergänzte er. Klar sei: "Wir hätten besser sein können. Und wenn, was der Herr verhindern möge, nochmals so ein Ereignis eintritt, werden wir besser sein", sagte Gniffke.

Eine andere Katastrophe, die weit länger zurückliegt, greift der SWR für die Mediathek und das Erste in einem Spielfilm auf. Lange habe man an dem Projekt gearbeitet, immer mit dem Ziel, dass kein Katastrophenfilm entstehen solle. Holger Karsten Schmidt lieferte dann das Drehbuch zu "Ramstein – Das durchstoßene Herz". Der Streifen widmet sich den Folgen und den Schicksalen des Flugtagunglücks aus dem Jahr 1988. Damals starben 70 Menschen, hunderte wurden verletzt. Max Hubacher, Trystan Pütter, Ron Helbig, Oliver Reinhard, Elisa Schlott, Jan Krauter und Alina Stiegler spielen mit. Kai Wessel führte Regie. Ausgestrahlt werden soll der Film, den eine Doku begleitet, noch im Herbst. Ein anderes relevantes Thema greift "Und ihr schaut zu" auf: Basierend auf echten Geschehnissen geht es um eine Mutter, die ihre Tochter bei einem Unfall verlor und sich nun mit im Netz kursierenden Gaffer-Videos ihrer sterbenden Tochter konfrontiert sieht. Dominique Lorenz schrieb das Drehbuch, Michaele Kezele arbeitete als Regisseurin, in der Hauptrolle wird Anja Schneider zu sehen sein.

"Und ihr schaut zu!" entsteht, gemeinsam mit dem HR, für die im November geplante nächste ARD-Themenwoche "Wir gesucht! Was hält uns zusammen?", die vom 6. bis 12. November stattfindet. Thematisiert werden soll nicht nur, wie die Pandemie der Gesellschaft zu schaffen gemacht hat, sondern auch, wie Spaltungen überwunden werden können. Konflikte sollen offen angesprochen werden.

Mehr Programm für Menschen unter 50

Wie zahlreiche ARD-Anstalten treibt auch den SWR die bessere Ansprache des jungen Publikums an. "Es hat sich weiterhin nichts geändert: In etwa die Hälfte unserer Bevölkerung ist über 50, die andere Hälfte unter 50", führte Intendant Gniffke aus. Zuletzt seien aber drei Viertel der Ressourcen für Programme genutzt worden, die eher für Menschen über 50 gemacht gewesen seien. "Das ist nicht fair." Man nehme seit einiger Zeit stärker Junge in den Blick, "ohne die Älteren aus den Augen zu verlieren", so Gniffke.

Unter anderem soll eine für die Mediathek und YouTube gemachte Reihe namens "Vollbild" Menschen zwischen 30 und 40 (die in der "Rush-Hour des Lebens" sind, wie der SWR es nennt) ansprechen. Somit soll die Lücke zwischen jungen Funk-Formaten und Sendungen im SWR-Fernsehen geschlossen werden, heißt es. "Vollbild" kommt von der SWR Recherche Unit und Labo M ("Deutschland 3000"). Alle zwei Wochen ist ab Juli eine neue Folge geplant, die "das Bild größer ziehen" möchte. Starke Recherchen sollen in der Sendung falsche Behauptungen und Desinformationen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entlarven. Das Projekt sei erst einmal auf rund ein halbes Jahr angelegt, jede Folge wird rund 20 Minuten lang sein.

Ross Antony soll derweil ab Spätsommer mit "Down the Road" eine sechsteilige Dokureihe präsentieren, in der er mit sechs jungen Menschen mit Down-Syndrom auf einen Roadtrip durch den Südwesten geht. "Ich hoffe, dass wir einzigartige Momente schaffen. Ich möchte ihnen den Sommer ihres Lebens bescheren", erklärte der Entertainer. Für Instagram entstehe ein Format mit dem Arbeitstitel "Psychocouch", in dem mehrere Psychologinnen und Therapeuthinnen Frauen um die 30 Orientierung im vielschichtigen Lebensalltag bieten sollen. Los geht's im Herbst, ebenfalls dann ist mit "Green Crimes" ein YouTube-Format geplant, das Kriminalfälle aus der Natur und Umwelt erzählt. Mit MeinSWR soll noch im Frühjahr darüber hinaus eine interaktive Plattform eingeführt werden, die es ermöglicht, dass Zuschauende in Echtzeit mitreden und abstimmen kann. 

Wie sich die Betrachtung von Formaten im SWR geändert habe, lasse sich auch an der zweiten "Nachtstreife"-Staffel ablesen. Im linearen TV nicht allzu erfolgreich, sei die erste Staffel online oder bei YouTube stark genutzt worden. Deshalb wurde eine weitere Runde bestellt, in der nun wieder Polizistinnen und Polizisten im Einsatz begleitet werden. Wenn alles klappt, startet diese im September. Speziell jüngst seien allgemein starke Zuwachsraten in der ARD-Mediathek zu erkennen gewesen, verriet Gniffke. Im vergangenen Quartal sei die Nutzung im Vergleich zum Vorjahresquartal um etwa 20 Prozent angestiegen. 609 Millionen Mal wurde SWR-Angaben zufolge im Januar, Februar und März 2022 auf das Streaming-Angebot der ARD zugegriffen. Gniffke: "So kommen wir unserem Ziel, bestes Programm für alle zu machen, immer näher. Mit dem Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF wollen wir langfristig der Streaming-Anbieter Nummer eins in Deutschland werden."