Deutschland liegt in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen nur noch auf dem 16. Platz, das sind drei Ränge schlechter als noch vor einem Jahr. Dass sich die Lage leicht verschlechtert hat, führt die Organisation auf drei Gründe zurück: Eine Gesetzgebung, die Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Quellen gefährde, abnehmende Medienvielfalt sowie allen voran Gewalt bei Demonstrationen.
Noch nie seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2013 sei die Zahl der gewaltsamen Angriffe so hoch gewesen: Gleich 80 Mal sei es zu derartigen Angriffen gekommen, nachdem schon im Vorjahr mit 65 Fällen ein Negativrekord erreicht worden war. Die meisten der Angriffe ereigneten sich laut Reporter ohne Grenzen bei den Protesten des sogenannten "Querdenken"-Spektrums gegen Corona-Maßnahmen, an denen regelmäßig gewaltbereite Neonazis und extrem rechte Gruppen teilnahmen.
Ebenfalls erschreckend: Gleich zwölf Angriffe der Polizei auf die Presse wurden dokumentiert. Dazu geht die Organisation von einer hohen Dunkelziffer sowie einer Vielzahl nicht einzeln erfasster Fälle aus, in denen Journalistinnen und Journalisten beleidigt, bedrängt oder bedroht wurden.
Auf der Ebene der Gesetzgebung kritisierte Reporter ohne Grenzen einen mangelnden Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie ihrer Quellen bei der Cybersicherheitsstrategie der Bundesregierung. Sorge bereitet der Organisation außerdem die weiter abnehmende Pressevielfalt bei den Tageszeitungen. Wie in vielen anderen Ländern hätten sich wirtschaftliche Probleme der Medien durch die Corona-Krise verstärkt - demnach zeigten nur zwei Länder weltweit, nämlich Schweden und Norwegen, im neu geschaffenen Indikator "wirtschaftliche Rahmenbedingungen" eine "gute Lage".
Norwegen, Dänemark und Schweden vorne
Weltweit bestimmten indes Krisen, Kriege und Gewalt die Lage der weltweiten Pressefreiheit seit Beginn des vergangenen Jahres. So sei unabhängiger Journalismus nach dem Militärputsch in Myanmar und der Rückeroberung der Taliban in Afghanistan kaum noch möglich. Russland habe die Pressefreiheit im eigenen Land de facto abgeschafften und in der Ukraine starben durch die jüngsten Kriegshandlungen innerhalb weniger Wochen gleich sieben Medienschaffende. Gleich viele waren es in Mexiko, das seit Jahren zu den tödlichsten Ländern der Welt für Journalistinnen und Journalisten zählt. Aber auch in Europa erschütterten die Morde an zwei Polizeireportern in den Niederlanden und Griechenland die Öffentlichkeit.
Im Gesamt-Ranking von Reporter ohne Grenzen liegt indes Norwegen zum sechsten Mal in Folge auf Platz eins, gefolgt von Dänemark und Schweden. Mit Estland ist zudem erstmals eine ehemalige Sowjetrepublik unter den Top 5, Finnland folgt auf dem fünften Rang. Im hintersten Teil der Tabelle befindet sich nach wie vor China auf Platz 175, gefolgt von Myanmar, Iran, Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea.
"Morde und Entführungen, Verhaftungen und körperliche Angriffe sind bloß unterschiedliche Ausprägungen desselben Problems: Regierungen, Interessengruppen und Einzelpersonen wollen Medienschaffende mit Gewalt daran hindern, unabhängig zu berichten", so Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen. "Dieses Phänomen beobachten wir in allen Teilen der Welt, ob in Russland, Myanmar oder Afghanistan – oder selbst in Deutschland, wo die Aggressivität gegenüber Journalistinnen und Journalisten auf ein Rekordhoch gestiegen ist."