Im ersten Quartal verzeichnete Netflix einen Rückgang der bezahlten Abonnements um rund 200.000 - und fürs zweite Quartal soll sich der Verlust noch auf zwei Millionen ausweiten, wie aus dem nun veröffentlichten Ausblick des Unternehmens hervorgeht. Für Netflix ist es die erste große Delle, nachdem das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren ununterbrochen gewachsen ist. Und das führt dazu, dass man nun mit einem bislang festen Grundsatz brechen wird.
Nachdem im letzten Monat Netflix-Finanzchef Spencer Neumann schon mit seinem "Sag niemals nie" die Abkehr einleitete, rückte Netflix-Boss Reed Hastings in einem Analysten-Call nun endgültig von der Aussage ab, auch künftig generell auf Werbung zu verzichten. Stattdessen stellte er ein günstigeres Abo-Modell in Aussicht, das im Gegenzug teils durch Werbespots finanziert werden wird. Genauere Details dazu gab es noch nicht, innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre will man mit dem Angebot aber am Start sein.
"Diejenigen, die Netflix verfolgt haben, wissen, dass ich gegen die Komplexität der Werbung und ein großer Fan der Einfachheit des Abonnements bin", sagte Hastings. "Aber so sehr ich das auch befürworte, so sehr bin ich auch ein Fan der Wahlfreiheit der Verbraucher. Und den Verbrauchern, die gerne einen niedrigeren Preis hätten und werbetolerant sind, das zu geben, was sie wollen, macht sehr viel Sinn."
Weniger als zwei Monate nach der Ankündigung von Disney, eine kostengünstigere Disney+-Version mit Werbung anzubieten, geht Netflix nun also exakt denselben Schritt. Andere Anbieter wie HBO Max oder Peacock - oder hierzulande auch RTL+ und Joyn - hatten sich ohnehin von vornherein so aufgestellt. Es ist die Einsicht in die Begrenztheit der Budgets der Kundschaft, die aus immer mehr Streaming-Diensten auswählen kann - die zudem in den letzten Jahren auch noch sukzessive die Preise angezogen haben.
Das Standard-Abo von Netflix liegt in den UA inzwischen bei 15,49 Dollar, nur wer auf HD verzichten kann, landet noch knapp unter der 10-Dollar-Marke. Verschärfend kommt hinzu, dass die aktuell in vielen Ländern hohe Inflation dazu führt, dass viele Menschen ihre Ausgaben für Entertainment überdenken - in Großbritannien sank Kantar-Zahlen zufolge im ersten Quartal dadurch die Zahl der Streaming-Abos erstmals über alle Anbieter hinweg.
Während Disney in vielen Ländern schon auf eine existierende Werbevermarktung seiner linearen Sender und teils auch von Streaming-Diensten wie Hulu aufbauen kann, muss Netflix die Strukturen dafür nun erst neu schaffen. Insbesondere für ein international über Ländergrenzen hinweg aufgestelltes Unternehmen dürfte das kein ganz einfaches Unterfangen werden. Man habe aber "keine große Zweifel daran, dass das Werbemodell funktioniere", so Hastings unter Verweis auf die bestehenden Angebote der Konkurrenz. Während Netflix sonst größere Änderungen erst mal in kleineren Märkten testet, dürfte man hier also insbesondere im amerikanischen Heimatmarkt direkt den großen Einstieg wagen.