Um die 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig auf dem Laufenden zu halten, nutzen die beiden Co-CEOS von RTL Deutschland ein neues Format, das am Dienstag Premiere hatte. Beim Namen für den internen Live-Stream hat man sich von einer der RTL-Soaps inspirieren lassen, doch entgegen manchen Unkenrufen ist es nicht "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" geworden. "Unter uns" wurde moderiert von Frauke Ludowig, die in einer Stunde ein doch recht breites Themenspektrum zum Fusionsprozess abarbeitete.
Anders als vor anderthalb Monaten beim Start ins neue Jahr ging es heute auch direkt zur Sache - also nicht erst einmal gekauften Wald in der Eifel feiern, fragende Gesichter zurücklassen und die Personalien nachreichen. Die naheliegenden Fragen kamen an diesem Dienstag zuerst zur Sprache, wenn auch nicht so ergiebig wie möglicherweise erhofft. Noch immer warten viele Mitarbeitende auf konkrete Informationen dazu, wie die Belegschaften zweier Häuser zueinander geführt werden sollen.
Personelle Zuständigkeiten in der Führungsebene wurden im Januar geklärt, aber wie man mit Doppelungen in gewissen Bereichen umgeht, beschäftigt verständlicherweise sehr. Man werde im April mit den Betriebsräten die nächsten Schritte besprechen und danach in dieser neuen Form des Live-Streams ein Update geben. Alles laufe Schritt für Schritt, sagt Dang. Man sei mittendrin im Prozess, der hervorragend laufe, für manche sogar zu langweilig. In der Tat ist es in Köln und Hamburg angesichts der Größe der beiden zu vereinenden Medienhäuser erstaunlich still.
Vielleicht aber eben auch, weil gerade diese Fragen z.B. zu einem möglichen Stellenabbau vorerst unbeantwortet sind. Sorgen, die auch später in diesem Livestream bei offenen Fragen aus der Belegschaft artikuliert werden. Die beiden Co-CEOs werben für Geduld: "Wir reden von einem Marathon, da wollen wir nicht zu schnell loslaufen", erklärt Dang. Später wird aus der Belegschaft auch die Frage kommen, wann denn ein Ziel-Organigramm fürs neue Unternehmen verfügbar sei. Im zweiten Quartal soll es soweit sein.
Das zweite Thema an diesem Vormittag, ebenfalls unbequem: Die scharfe Kritik an der fast ausschließlich männlichen Führungsriege des selbsternannten größten Entertainment-Unternehmen Deutschlands. "Das war die härteste Kritik und absolut angebracht", sagt Matthias Dang. Man stehe am Beginn des Unternehmensumbaus und die jetzige Aufstellung sei nicht das Zielbild, "wie wir United verstehen". Die Kritik werde nicht vom Tisch gewischt; sei wichtig. Im März starten Female Masterclasses und aus dem Dialog sollen in den nächsten Monaten mehr Dinge entstehen.
"Innovation beginnt mit Empathie"
Sein CEO-Kollege Schäfer greift das Thema auf und gesteht: "Wir würden es heute anders machen. Da lernen Matthias und ich dazu. Dass die Frage im Raum stand, wussten wir. Heute hätten wir das Thema aber viel früher adressiert. Heute würden wir Transparenz vorweg schaffen." Sein Erkenntnisgewinn aus dem kontroversen Austausch, auch innerhalb der Belegschaft: "Schön, dass wir ein Haus haben, wo Kritik gehört wird und gewünscht ist." Zwar ist somit noch nichts geändert, aber Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung, heißt es bekanntlich.
Überraschend uneitel wurde es auch später in dem internen Live-Stream als Dang und Schäfer unter dem Titel "Wo können wir besser werden?" einen Einblick geben in die anonym gesammelten Antworten einer Befragung unter der Belegschaft von RTL Deutschland. Diversität, Gehalt, Transparenz und Wertschätzung sind dabei die meistgenannten Aspekte, aber genügend weitere Wünsche und Baustellen sind zu lesen. Er möchte eine Kultur, "in der man Dinge ausprobieren und Fehler machen kann", erklärt Schäfer. "Wir werden auch Sachen verbocken, aber wir müssen Sachen ausprobieren. Innovation beginnt mit Empathie." Und er zitiert Michael Jordan: "100 Prozent der Würfe, die ich nicht gemacht habe, sind daneben gegangen."
Im Gespräch mit Frauke Ludowig erörtern die beiden Co-CEOs auch die Frage des Heimatgefühls, bei einer Zusammenführung von zwei Unternehmen an zwei Hauptstandorten nicht ganz unwichtig. Für Schäfer sei inzwischen auch Köln Heimat, doch geht es bei der Frage weniger um das persönliche Empfinden des CEOs. Vermittelt werden soll den zuschauenden Mitarbeitenden: Die Größe des Hauses gebe Sicherheit, aber nicht Gleichschaltung in allen Bereichen. Individualität wolle man weiter fördern, alles unter dem großen Mantel RTL, der mehr Crossmedialität erlaube. Chefkoch TV als Beispiel war bekannt, aber auch "Geolino", der Kinder-Ableger von "Geo", soll ins Fernsehen kommen.
"All Media, One App" soll im Sommer kommen
Der vergangene Woche bekannt gegebene Deal mit WarnerMedia sei sehr wichtig fürs Haus, natürlich insbesondere für RTL+, das auf dem Weg zu drei Millionen zahlenden Abonnenten sei. Und erstmals gibt es auch einen Zeitrahmen für das angekündigte Projekt "All Media, One App" - also die Integration diverser Mediengattungen in ein Abo. Zwischen Juni und September will man das launchen. Mit dem Jahresstart im Linearen sei man "overall" zufrieden, in der Information freuen sich die Co-CEOs auf die Inbetriebnahme des neuen Nachrichtenstudios, kündigen darüber hinaus an, dass "Guten Morgen Deutschland" durch "Punkt 6", "Punkt 7" und "Punkt 8" ersetzt werden soll.
Zur Rolle von RTL Deutschland als journalistischem Medienhaus hatten die beiden Co-CEOs schon zuvor Stellung bezogen mit Bezug auf die Ukraine-Krise. Dang: "Ob das Afghanistan oder Ukraine ist – wir brauchen unabhängigen Journalismus. Neben den Öffentlich- Rechtlichen sind wir das einzige Haus, was das kann. Die Öffentlich-Rechtlichen werden aber häufig als zu geschliffen, zu politisch wahrgenommen." Schäfer lobte die Journalistinnen und Journalisten des Hauses, die vor Ort aus der Ukraine berichten. Nach Internet, Streaming und TV geht es am Ende auch um Print: "Schlagen uns gut, Bahnhofsbuchhandlung nicht gut, Abos aber besser", sagt Schäfer. "Brigitte" hat Abos zum neunten Mal in Folge gesteigert. Größter Gewinner in absoluten Zahlen sei "Geolino".
Unsicherheit auf Seiten der Vermarktung bereitet den beiden Co-CEOs von RTL Deutschland allerdings Sorgen: Der Markt sei unsicher, mit Problemen bei Lieferketten, Inflation, viel Bewegung und jetzt noch die Ukraine-Krise. Es dauere noch zwei, drei Monate, bis wir weiter nach vorne schauen können, erklärt Dang. Ob ihm das Sorgen bereite, fragt Frauke Ludowig nach: "Ja, schon ein Stück, weil ein wesentlicher Teil des Umsatzes Werbung ist neben den Abos." Der Blick nach vorne in diesem Punkt sei schwierig. "Wir müssen ja nur an die Börsen schauen heute morgen", springt ihm Schäfer bei. Vielleicht weiß man ja in fünf bis sechs Wochen mehr - in diesen Abständen will man die Belegschaft künftig in dieser Form auf dem Laufenden halten.