Herr Polak, Herr Hadda eine Talkshow im Wald – wie kommt man denn bitteschön auf sowas?

Oliver Polak: Die Frage ist doch eher, wieso man nicht früher darauf gekommen ist. In den vergangenen Jahren ist gefühlt alles lauter, extremer und unsachlicher geworden. Viele Menschen sind gar nicht mehr daran interessiert, Gespräche zu führen, und sind nur noch darauf aus, das Gegenüber vernichten. Wo also, habe ich mich gefragt, kann ich in Ruhe Gespräche führen? Im Wald. Dort, wo ich oder Gleichgesinnte vielleicht nicht nur im übertragenen Sinne zu den eigenen Wurzeln zurückfinden kann. 

Wann kam die Produktionsfirma Turbokultur ins Spiel?

Polak: Unsere Wege haben sich schon ein, zwei Mal gekreuzt, ohne dass es zu einer Zusammenarbeit gekommen ist. Mir gefällt wahnsinnig gut, wie das Team von Turbokultur die Comedy-Reihe "Heroes" für das ZDF visuell umgesetzt hat. Also habe ich einfach mal bei David Hadda angerufen, der die Idee geil fand und direkt dabei war.

David Hadda: Wenn ein Künstler auf einen zukommt und es bereits einen Sender gibt, der Interesse hat, kann man sich als Produzent nur freuen. Wir haben deshalb direkt damit begonnen uns zu überlegen, wie sie sich diese verrückte Konzept-Idee am besten in die Realität übersetzen lässt. Eigentlich war es unsere Vorstellung, den Dreh im Herbst bei schönem Wetter umzusetzen. Das klappte leider nicht – stattdessen ging kurz vor dem Jahresende alles ganz schnell, weil noch Innovationsbudget vorhanden war. Wir haben deshalb bei Minusgraden und Schnee gedreht. Eine ziemliche Herausforderung. (lacht)

Polak: Es war wahnsinnig kalt. Gerade der erste Tag, an dem es schneite und noch nicht alles rund lief, fühlte sich an wie Stalingrad in Brandenburg – unfassbar eisig. Aber im Kern ist genau das die Idee der Sendung, nämlich möglichst viel Wahrhaftigkeit in das Format zu bringen. Und wenn es kalt ist, dann ist es eben kalt.

Was hat dieses Setting mit Ihnen gemacht?

Polak: Es gibt ja diese Ausdrucksweise vom kühlen Kopf. Da ist schon etwas dran: Man kommt im Wald, gerade wenn es kalt ist, viel mehr zu sich. Man ist konzentrierter und fühlt sich selbst wesentlich näher als im beheizten Studio, in dem noch ein Anheizer für gute Stimmung sorgt. 

 

"Wir haben ganz bewusst Leute eingeladen, die sonst nicht auf den üblichen Zetteln einer Redaktion stehen."
David Hadda

 

Sie saßen verkleidet im Wald und haben mit Patrick Lindner über Cancel Culture gesprochen. Da muten Sie dem Publikum einiges zu, oder?

Polak: Es geht mir nicht um Zumutung, sondern darum, die Vielfalt zu zeigen. Gerade in Deutschland denken wir noch immer sehr in Schubladen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es noch gar nicht so recht angekommen ist, in welch bunter Welt wir heute leben. Wir wollen zeigen, dass alle Menschen ganz viele verschiedene Seiten haben. In unserer Show kann deshalb jeder sein, wie er ist und sagen, was er will. Und zum Glück wurde vom BR alles genau so durchgewunken, wie wir es gedreht haben.

Hadda: Es ist vermutlich die große Stärke dieser Sendung, dass alle Beteiligten mit einer klaren Haltung an das Format herangegangen sind. Die Haltung des Künstlers war klar, unsere Haltung war klar und auch der BR hat sich dieser Haltung angenommen und sich geöffnet. Wir haben ganz bewusst Leute eingeladen, die sonst nicht auf den üblichen Zetteln einer Redaktion stehen, und wollten Menschen in ihrer ganzen Facette zeigen; ihnen die Möglichkeiten geben, sich zu öffnen. Das alles zuzulassen, ist die große Stärke von Oliver als Gastgeber. Und natürlich hat auch der ungewöhnliche Rahmen geholfen.

Polak: Obwohl der Rahmen gar nicht so ungewöhnlich ist. Eigentlich ist es doch viel ungewöhnlicher, sich in einem Studio zum Reden zu verabreden. Irgendwie absurd, dass Menschen vom natürlichsten Ort der Erde überrascht werden, oder? 

Gedankenpalast © BR/Gerald von Foris Patrick Lindner, Oliver Polak und Yasmine M'Barek.

Hadda: Trotzdem ist es etwas anderes für die Gäste, wenn sie in einen Wald gefahren, werden, sie plötzlich Tieren begegnen – inmitten eines mystischen Settings mit drei Stühlen. Aber gerade die Einfachheit und die Konzentration auf das Wesentliche macht das Besondere aus.

Es ist nicht das erste ungewöhnliche Format, das Sie moderieren, Herr Polak. Ist es womöglich eine Art angeborene Neugier, die Sie immer wieder in solche Sendungen führt, in denen Sie sehr tief mit Menschen ins Gespräch kommen? 

Polak: Ich war schon immer ein sehr neugieriger Mensch, kann aber auch ein supermieser Zuhörer sein. Wenn ich etwas interessant finde, höre ich sehr genau zu. Wenn nicht, dann bin ich wie Homer Simpsons und irgendwo anders mit meiner Fantasie. 

Herr Hadda, das neue BR-Format steht in einer Reihe mit anderen, nicht ganz alltäglichen Sendungen, die Sie produzieren, darunter "Heroes" oder "Freitagnacht Jews". Was ist eigentlich Ihre Intention beim Fernsehmachen?

Hadda: Mein Geschäftspartner Martin Danisch und ich wollen talentfokussiert arbeiten, also mit Menschen, die aus einer Innensicht heraus erzählen können. "Freitagsnacht Jews" erzählt aus der Innensicht einer jüdischen Lebenswirklichkeit in Deutschland, bei "Deadlines" fokussieren wir uns auf die Lebenswirklichkeit von Frauen in ihren Dreißigern und "Heroes" handelt von der Comedians und ihrem Blick auf die Welt. Eine Haltung zu haben, ist für uns maßgeblich für eine Zusammenarbeit. Gleichzeitig wollen wir gesellschaftlich relevante Themen so übersetzen, dass es sehr unterhaltsam ist. Wir wollen Entertainment liefern und nicht zu verkopft nur eine Nische bedienen.

Im vorigen gab es den Fernsehpreis für "Freitagnacht Jews". Hat das die Aufmerksamkeit für Ihre Produktionsfirma in der Branche noch einmal verändert?

Hadda: Auf jeden Fall. Die Auszeichnung ist eine schöne Wertschätzung, man sollte so etwas aber nicht überschätzen. Uns geht es in erster Linie um die Menschen und die Themen, nicht um irgendwelche Preise.

Wie ist es eigentlich um die Zukunft von "Freitagnacht Jews" und "Deadlines" bestellt?

Hadda: Bei "Freitagsnacht Jews" werden wir mit einem Podcast an den Start gehen. Zudem befinden wir uns in der Entwicklung der einer zweiten Staffel. Viel kann ich noch nicht verraten, aber die neue Staffel wird auf jeden Fall anders und größer. Auch bei "Deadlines" arbeiten wir bereits an einer Fortsetzung.

Lassen Sie uns zum Ende noch einmal auf den "Gedankenpalast" zu sprechen kommen, dessen Titelmusik Sie, Herr Polak, – wie schon bei anderen Projekten – selbst singen. Das ist ein echtes Markenzeichen geworden, oder?

Polak: Absolut. Im "Gedankenpalast" haben wir zwar sehr viele ruhige Momente, aber diese wollten wir am Ende noch einmal ganz bewusst brechen – mit einer Italo-Pop-Fernsehmelodie, verbunden mit den Geräuschen des alten "Wetten, dass..?"-Intros.

Warum gerade "Wetten, dass..?"?

Polak: Es war schon immer mein Ziel, irgendwann einmal "Wetten, dass..?" zu moderieren. Ich glaube, das würde passen.

Herr Polak, Herr Hadda, vielen Dank für das Gespräch.

"Gedankenpalast", donnerstags um 23:15 Uhr im BR Fernsehen, und schon jetzt in der ARD-Mediathek