Einige Monate ist es nun schon her, dass Axel Springer den "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt vor die Tür gesetzt hat. Der Verlag warf dem Journalisten vor, Privates und Berufliches nicht klar getrennt und außerdem gelogen zu haben. Eine Compliance-Untersuchung wegen Machtmissbrauch hatte Reichelt zuvor noch überstanden, wenngleich das Unternehmen "Änderungsbedarf bei der Führungskultur" festgestellt hatte. Reichelt selbst kann die Gründe für seine Entlassung nicht nachvollziehen (DWDL.de berichtete), das hat er nun auch noch einmal bei seinem ersten TV-Auftritt nach seinem Aus als "Bild"-Chef erklärt.
In der ServusTV-Talksendung "Links. Rechts. Mitte - Das Duell der Meinungsmacher" diskutierte Reichelt einerseits über die aktuellen Corona-Maßnahmen, die Lage in Deutschland und die geplante Impfpflicht in Österreich. Am Ende der Sendung sprach Moderatorin Katrin Prähauser mit Reichelt aber auch über dessen Fall und seine berufliche Zukunft - und tatsächlich hatte der Ex-"Bild"-Chef hier etwas anzukündigen.
So erklärte Reichelt, dass er aktuell an einer neuen Medienplattform arbeite. Dazu spreche er aktuell mit "vielen spannenden Kolleginnen und Kollegen". Besonders viele Details waren Julian Reichelt nicht zu entlocken, er sagte nur: "Die größte Marktlücke im Journalismus ist Journalismus." Und er wolle diese entstandene Lücke füllen. Das hört sich noch sehr nach "Bild"-Sprache an, so ähnlich hatte sich im Sommer des vergangenen Jahres auch Claus Strunz über das neue Bild TV geäußert (DWDL.de berichtete). Es gehe um Journalismus, der nach den Fakten suche und sage, was ist und nicht das, was Regierende gerne gesagt hätten, so Reichelt bei ServusTV.
Bestätigt hat Reichelt in der Sendung dann auch noch einmal, dass er nicht zu ServusTV gehen werde. Entsprechende Gerüchte gab es im vergangenen Jahr, nachdem Investigativ-Journalist David Schraven das bei Twitter suggeriert hatte. Reichelt bezeichnet das jedoch als frei erfunden. In der Sendung zog Reichelt auch einen Vergleich zwischen Flüchtlingskrise und Corona. In beiden Fällen seien Worte kriminalisiert worden, so der Journalist. 2015 seien es die "besorgten Bürger" gewesen, heute das Wort "skeptisch". Reichelt: "Ich bin Berufsskeptiker und stolz darauf."
Zu den genauen Umständen seines Aus bei "Bild" wollte sich Reichelt bei ServusTV nicht noch einmal äußern. Er sprach lediglich von einem "politischen Klima, in dem man dankbar ist, wenn kritische Stimmen verschwinden". Das müsse nicht heißen, dass das die Motivation gewesen sei, ihn abzusägen, so Reichelt. Dennoch sei es ein beliebtes Instrument "linker Agitation, sowas wie die Unschuldsvermutung außer Kraft zu setzen und Vorwürfe in diffuser, abstrakter und anonymer Weise zu verbreiten, sodass man sich dagegen nicht mehr verteidigen kann". Diese Strategie sei bei ihm erfolgreich gewesen. "Ich finde das bedauerlich. [...] In der Zeit, in der wir leben, mit Cancle Culture und Woke-Wahnsinn, ist es aber nicht besonders verwunderlich", so Reichelt, der außerdem erklärte, er habe bei "Bild" zum großen Teil mit "herausragenden Frauen" zusammengearbeitet. Und weiter: "Ich habe dazu beigetragen, an ganz vielen Positionen Frauenkarrieren zu ermöglichen, die vorher leider und fälschlich nicht möglich waren". Wegen ihm habe die "Bild" heute so viele weibliche Führungskräfte, so Reichelt.
Für ServusTV-Verhältnisse ist die Ausgabe der Talkshow am Sonntag übrigens ein Quotenerfolg gewesen. 120.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen im Durchschnitt zu, sowohl insgesamt als auch in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen wurden damit 0,6 Prozent Marktanteil gemessen. Normalerweise kommt ServusTV auf 0,4 Prozent beim Gesamtpublikum und 0,3 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen.