Die vergangenen Wochen dürften turbulent gewesen sein in der Chefetage von ProSiebenSat.1. Kurz nachdem der Konzern Anfang des Monats gute Quartalszahlen vorgelegt hatte und sein Umsatzziel für das laufende Jahr anhob, platzte eine von Mediaset gesetzte Bombe. Der Großaktionär wolle 2022 den Vertrag von Vorstandssprecher Rainer Beaujean auslaufen lassen, berichtete damals "Business Insider". Der Grund: Mediaset will eine europäische TV-Allianz schmieden, in der auch ProSiebenSat.1 sein soll, dort wehrt man sich aber gegen das Projekt.
Auch nach den Drohungen aus Mailand gibt man sich in Unterföhring nach außen hin betont gelassen. Gegenüber der "FAZ" hat Rainer Beaujean nun noch ein weiteres Mal erklärt, weshalb einen solche Allianz aus seiner Sicht nicht sinnvoll ist. "Fernsehen ist in jedem Land unterschiedlich. Wir in Deutschland sind mit unserer Sprache und vor allem unserem Geschmack, Vorlieben und unserer Art von Humor schon sehr anders, wenn ich es mit dem italienischen Fernsehen vergleiche", sagt er und verweist auf lokale Versionen von Shows wie "Germany’s Next Topmodel".
Beaujean sieht keinen Mehrwert in einer möglichen TV-Allianz, das ist inzwischen bekannt. Im Gespräch mit der "FAZ" führt der ProSiebenSat.1-Boss nun ausgerechnet die Konkurrenz aus Köln für diese Strategie an. "Fast alle Sender in Europa verstehen Fernsehen heute als lokales Ereignis. Unser Wettbewerber RTL zum Beispiel reduziert stark sein Engagement in Frankreich und Benelux. Sie erklären, sie wollen nationale Champions bauen. Und damit halten sie auch nicht viel von einer Internationalisierung in Europa." Auch Mediaset will wohl kein inhaltliches Zusammengehen der Gruppen, sieht aber sehr wohl Synergie-Potenzial auf Konzernebene.
Die "FAZ" berichtet, die Italiener finden durchaus, dass Beaujean gute Ergebnisse liefere - kurzfristig. Sie würden jedoch eine Vision für die Zukunft vermissen. Chancen zur Zusammenarbeit sieht Beaujean allenfalls im Commerce-Bereich, hier ist man ja beispielsweise im Dating sehr stark unterwegs. Beaujean spricht in der "FAZ" außerdem über die Onlineparfümerie Flaconi (die man Anfang des Jahres noch verkaufen wollte). Beaujean: "Dort streben wir eine stärkere Internationalisierung des Geschäfts an und könnten Flaconi über die Mediaset-Sender in Italien und Spanien bekannt machen. Das wäre wirklich wertschaffend für beide Seiten, und dafür sind wir total offen!"
Das ist aber offenkundig nicht das, was Pier Silvio Berlusconi, Chef von Mediaset, anstrebt. Und so bleibt weiter offen, wie es im Machtkampf weitergeht. Spätestens im kommenden Jahr wird es eine Entscheidung geben. Auf der nächsten Hauptversammlung könnte Mediaset weitreichende Änderungen einleiten. Und ob der Vertrag von Rainer Beaujean verlängert wird, ist nach wie vor unklar. Gut möglich, dass er dazu Mediaset auf seine Seite bringen muss. Mediaset erklärt derweil, man plane keine feindliche Übernahme. Einerseits ist fraglich, wie lange dieses Versprechen gilt. Andererseits ist unklar, ob die Italiener überhaupt eine Komplettübernahme stemmen könnten, sie sind im Vergleich das kleinere Unternehmen.