Dort, wo sich früher einmal das Mitarbeiter-Schwimmbad eines Klavierherstellers befand, hat RTL zum Launch seines Streamingdienstes geladen. Oder besser gesagt: Zum Relaunch. Nach RTL Now und TVNow hört dieser seit Donnerstag wieder auf einen neuen Namen. Dass dieser an die Anfänge des deutschen Privatfernsehens vor mehr als drei Jahrzehnten erinnert, mutet ein wenig kurios an. Andererseits: Weniger kreativ als Disney+ oder Apple TV+, mit denen man es neben Platzhirschen wie Netflix oder Prime Video aufnehmen muss, kommt der Name RTL+ auch nicht daher.

Überraschender ist da schon eher, dass das Portal neuerdings so aussieht, als habe einfach ein neues Logo über das bisherige TVNow-Signet gelegt. Dabei täuscht dieser erste Eindruck darüber hinweg, dass sich bis zum zweiten Quartal des kommenden Jahres unter der Motorhaube von RTL+ noch einiges tun wird. Wer den Dienst dann abonniert, soll nicht nur Filme, Serien, Shows, Sport, Dokus und Live-Sport erhalten, sondern auch ein Musikangebot, exklusive Podcasts, Hörbucher und Zugang zu digitalen Premium-Zeitschriften bekommen. 

Man habe lange gesucht, aber weltweit kein vergleichbares Angebot gefunden, erklärt Matthias Dang, der RTL Deutschland seit einigen Wochen zusammen mit Stephan Schäfer leitet. Viel zu tun also für das Führungsduo, das an diesem Mittag in weißen Sneakern auf dem zur Präsentationsbühne umgebauten Schwimmbeckenboden steht. Dass sie die Neuerfindung der Marke RTL nicht alleine stemmen können, darauf deuten Auftritte von Eva Messerschmidt und Henning Nieslony hin, die über den Aufbau und die Inhalte sprechen, aber auch von Karin Immenroth, der Daten-Chefin des Unternehmens.

RTL+ Startseite © RTL Seit Donnerstag hört TVNow auf einen neuen Namen. Im kommenden Jahr soll das Angebot noch einmal deutlich ausgebaut werden.

Tatsächlich dürften Daten in Zukunft für RTL+ deutlich wichtiger werden, denn damit das vielstimmige Angebots-Orchester gut harmoniert, soll künstliche Intelligenz dafür sorgen, dass sich die Nutzerinnen und Nutzer möglichst gut zurechtfinden. Dazu gehört etwa eine gattungsübergreifende Recommendation, also ein Empfehlungsalgorithmus, die Serien-Fans ähnliche Musik, einen passenden Podcast oder einen möglichst interessante Magazin-Beiträge von Gruner+Jahr-Titeln empfiehlt. Das sei eine "wahre Innovation in einem Medienprodukt", schwärmt Immenroth. 

"One app, all media", so überschreibt RTL sein künftiges, alle Gattungen übergreifendes Angebot, in dem im kommenden Jahr auch das bislang noch separat betriebene Audio Now aufgehen wird. Fürs Musikstreaming wiederum kooperiert RTL mit Deezer. "Durch den engen Austausch mit unserem Publikum wissen wir, dass sehr viele Menschen auf ein solches Angebot gewartet haben, vielfältig und einfach nutzbar zugleich", erklären Matthias Dang und Stephan Schäfer unisono. Das erklärte Ziel: "Das erste vollintegrierte Medienunternehmen in Deutschland, das mit positiver Unterhaltung und unabhängigem Journalismus über alle Mediengattungen hinweg wachsen und seine führenden Marktpositionen ausbauen will."

"Inhalte, Inhalte, Inhalte"

Schon jetzt bringt es RTL+ auf rund 2,4 Millionen zahlende Abonnentinnen und Abonnenten, was auch an der Kooperation mit der Deutschen Telekom liegt, die weiter ausgebaut werden soll. Perspektivisch sollen der deutsche Dienst und sein niederländisches Pendant Videoland in fünf Jahren zusammen auf zehn Millionen kommen. 

Wie wichtig dann noch die klassische TV-Werbung sein wird, von der das Privatfernsehen in Deutschland über Jahrzehnte hinweg gut lebte? Matthias Dang glaubt, dass Werbung in Zukunft "anders portioniert" werden müsse, wie er auf DWDL.de-Nachfrage sagt. Will heißen: Klassische Sechs-Minuten-Blöcke sind in der Streaming-Welt eher nicht denkbar, auch wenn man den Nutzerinnen und Nutzern bewusst unterschiedliche Angebote machen will - von einem werbefinanzierten Einstiegsmodell bis hin zur komplett werbefreien Variante. Was RTL+ künftig kosten wird, wenn das Paket mehr umfasst als klassische TV- und Streaminginhalte, ist bislang noch offen.

Damit das Publikum nicht müde wird, sollen die Programminvestitionen in die RTL-Streamingdienste weiter erhöht werden - auf rund 600 Millionen Euro im Jahr 2026. "Inhalte, Inhalte, Inhalte", so lautet das Schlagwort zum Launch. Und tatsächlich: Mit "Ferdinand von Schirach - Glauben", "Sisi" und "Faking Hitler" wird RTL+ in den ersten Wochen gleich mehrere fiktionale Großprojekte an den Start bringen. Dazu kommt ein neuer Vertrag mit Constantin Film, der in den nächsten Jahren für weiteren fiktionalen Nachschub sorgen wird.

All das geschieht in der Hoffnung, dass besagtes Mitarbeiter-Schwimmbad am Ende nicht sinnbildlich sein wird für den Erfolg der neuerlichen Streaming-Offensive: Baden gehen will bei RTL nämlich niemand. Und eine weitere Chance für einen Neustart dürfte es kaum geben.

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