Wenn in der ARD Reformen anstehen, dann muss man in der Regel nicht lange auf öffentlich geäußerte Kritik warten. So war das auch in den vergangenen Monaten wieder, besonders die Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten, die die Abschiebung des "Weltspiegels" in den späten Abend fürchteten, und die Redaktionen der Politmagazine, die gegen eine Verringerung der Schlagzahl wetterten, taten sich hervor. Um so bemerkenswerter ist es, dass die Pläne des Programmdirektions-Trio aus Christine Strobl, Florian Hager und Oliver Köhr nicht mal ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt quasi einmütig von der Runde der Intendantinnen und Intendanten verabschiedet wurden - und in zwar in ihren Grundzügen genau so, wie das schon vor Monaten durchgesickert war.
Christine Strobl gab sich ohnehin gelassen: "Wenn man keine Diskussionen hervorruft, dann hat man auch nichts verändert", kommentierte die neue Programmdirektorin die teils öffentlich geführte Debatte. Intern habe sie diese stets als konstruktiv empfunden, alle hätten sich bemüht, gemeinsam den richtigen Weg zum Ziel zu finden, die Mediathek zu stärken - die sei schließlich "verantwortlich für das ganze Tohuwabohu", so Florian Hager. Nun habe man sich aber so aufgestellt, dass man sehr regelmäßig frisches Programm für die Mediathek parat habe, bei denen die lineare Auswertung dann nur an zweiter Stelle stehe. Und zugleich hat man auch im linearen Programm noch etwas aufgeräumt.
Tatsächlich gelang Christine Strobl nun, woran Volker Herres nur zwei Jahre zuvor noch scheiterte: Die Neuordnung des Sonntagabends, wo nun der "Weltspiegel" um 18:30 Uhr läuft und die "Sportschau" vor die "Tagesschau" rückt. 2019 wurde das als Untergang der Auslandsberichterstattung kritisiert, nun gelang es offenbar, die Vorteile zu vermitteln. Das Zusammenspiel mit dem nun direkt davor laufenden "Bericht aus Berlin" ermögliche es, Themen gemeinsam aus innen- und außenpolitischer Dimension zu beleuchten, hier wollen sich die Redaktionen künftig stärker austauschen. Ein aktuelles Beispiel wäre der Afghanistan-Abzug. Die spätere "Sportschau" mit den Zweitliga-Bildern sei zugleich die Chance, andere "Milieus" an die "Tagesschau" heranzuführen.
Einen kompletten Wechsel des "Weltspiegels" auf den späten Montagabend, wie er zwischenzeitlich mal öffentlich befürchtet worden war, gibt es nicht, trotzdem einigte man sich darauf, dass aus dem Netzwerk der Korrespondentinnen und Korrespondenten künftig längere Dokus für den späten Montagabend produziert werden - das war der Haupt-Wunsch der neuen Programmdirektion, weil sich diese in der Mediathek besser vermarkten ließen. Auch bislang gab's schon "Weltspiegel"-Reportagen im ARD-Programm, allerdings gut versteckt am Samstagnachmittag. Den Platz am Montagabend teilen sich die Auslands-Reportagen übrigens dann mit einem neuen Wissensmagazin. Auch ein solches hat Das Erste mit "W wie Wissen" zwar schon im Programm, auch hier gilt aber: Versteckt am Samstagnachmittag. Darauf wolle man aufbauen, es aber auf neue Füße stellen.
Details dazu gibt es noch nicht - wie überhaupt jetzt erstmal das Grundgerüst steht. Das sieht auch vor, dass Sandra Maischberger künftig zwei Mal wöchentlich, nämlich dienstags und mittwochs talkt. Wenn man schon gegen den derzeit übermächtigen Markus Lanz antritt, dann will man sich davon künftig inhaltlich stärker abgrenzen. Die Sendung dürfte mit nur ein bis zwei Gästen und intensiven Gesprächen wieder eher dem widmen, was man von Maischberger zu ntv-Zeiten noch kannte. Der Versuch, die Talks aus den Dritten dienstags eine Bühne im Ersten zu bieten, hat aus Quotensicht nie richtig funktioniert und wird mit dem Start des neuen "Maischberger"-Formats dann auch wieder beendet.
Ohnehin ist man davon weggekommen, die Vielfalt der ARD dadurch abbilden zu wollen, dass ständig wechselnde Formate auf einem Sendeplatz laufen. Wenn man freitags um 21:45 Uhr auf Comedy setzt, dann soll das künftig ein festes Format sein, also kein buntes Sammelsurium wie am Donnerstagabend, wo man zuletzt durch längere Staffeln zumindest etwas mehr Ordnung rein brachte, was beispielsweise bei "Extra 3" die Quoten prompt deutlich ansteigen ließ. Ganz einsichtig ist allerdings nicht, wieso man für den gleichen Sendeplatz freitags um 21:45 Uhr auch noch eine Reportagereihe entwickelt. Immerhin: Wöchentlich wechseln will man die Programmfarbe da nicht.
Wie erwähnt: Details zu den Änderungen, die ab 2022 umgesetzt werden sollen, sind noch Mangelware - ja, sogar die Finanzierung ist noch nicht so ganz geklärt. Die Programmdirektion soll künftig zwar schon dadurch mehr Entscheidungsspielraum und Macht bekommen, dass sie über ein höheres eigenes Budget für Programme verfügt, die sogenannte "Programmreserve". Die betrug bislang im Jahr nur sehr magere zwei Millionen Euro, künftig soll der Betrag auf jährlich einen hohen einstelligen Millionenbetrag steigen, so Tom Buhrow. Die Runde der Intendantinnen und Intendanten hätte das Bekenntnis dazu erneuert, man befinde sich "auf einem guten Weg". Nur zu Ende gehen muss man ihn erst noch - und auf dem Weg zur Umsetzung der Reform dürfte das nicht der einzige Stolperstein sein, den es erst noch zu überwinden gilt.