"Die haben ne coole Bar, da steht ein Schreibtisch drin. Lass es uns doch einfach nochmal machen." Die Entstehungsgeschichte, die Philip Simon im Gespräch erzählt, ist herzlich banal. "Einmal die Woche, drei Leute zu Gast, die ein 15 Minuten Set spielen und ich quatsch ein bisschen mit dem Publikum über die Woche. Es ist ein Ort mit so viel Historie. Hier ist die ‚Harald Schmidt Show‘ entstanden und ‚TV Total‘ groß geworden. Wir lassen einfach mal die Kamera mitlaufen, falls ein Käufer da draußen Late Night auch noch so liebt wie wir."
Wir sitzen an einem sonnigen Nachmittag im neuen Ruby Ella in der Kölner Innenstadt. Versteckt im Hof des ehemaligen Capitol-Theaters verfügt das neue Hotel über eine Bar, die an allen Ecken mit Deko und Details an die TV-Geschichte des Ortes erinnert. Philip Simon und Martin Brindöpke, Head of Comedy bei Warner Bros. in Deutschland wollen hier mit der "Warner Late Show" ein Genre wiederbeleben und dafür nicht länger auf einen Sender oder Plattform-Partner warten. "Wir drehen das Geschäft mal um: Wir machen jetzt erstmal was, wie wir es uns vorstellen, probieren aus und schauen dann, ob sich dafür jemand findet", sagt Brindöpke.
Ab dem 23. Oktober und erst einmal bis zum Jahresende produziert Warner Bros. die neue Late Night wöchentlich in der Hotel-Bar zwischen großflächigen Leuchtschilder, LateNight-Schreibtisch & Gästesessel und einem bunten Mix aus Vintage-Möbeln und etlichen Requisiten aus den Late-Night-Show-Zeiten der späten 90er und frühen 2000er. Auf die Frage nach dem Konzept der Show, lacht Philip Simon. "Wir haben Bock und hatten Zeit", fasse es ganz gut zusammen. Er setzt nach: "Blick auf die Woche, drei Gäste, Konfettikanone und Kölsch - fertig ist das Ding. Das Innovativste daran ist noch die Idee, eine LateNight mit ner OpenMic-Show zu mixen. Das muss reichen."
Neben den Themen der Woche für das lokale Kölner Publikum in der Bar, sind die Auftritte von Newcomer und bekannten Namen elementarer Bestandteil der Sendung, die vorläufig nur auf dem YouTube-Kanal der Ruby-Hotels zu sehen sein wird. Mit dabei sind u.a. Herr Schröder, Ingmar Stadelmann und Maxi Gstettenbauer. Es ist nicht das ganz große Rad, was Simon und Brindröpke hier drehen wollen. Viel mehr geht es um Aufbauarbeit.
"Auch vor dem Hintergrund, dass durch die Corona-Pandemie viel Live-Geschäft kaputt gegangen ist und das besonders eine sehr breite Comedy-Szene schwächt, die beim Deutschen Comedypreis sowieso zu wenig zur Geltung gekommen ist. In Bars wie dieser fängt Comedy an. Und meine Sorge ist, dass die schwierige Zeit für die Kultur erst noch bevorsteht. Jetzt haben zwar viele Locations wieder auf, aber von dem was ich mitbekomme, sind die Ticketverkäufe bislang noch mau. Das wird noch dazu führen, dass uns nächstes Jahr weitere Kulturstätten verloren gehen. Darunter leiden werden nicht in erster Linie Fernsehnasen wie ich, sondern die große Vielfalt", befürchtet Philip Simon.
Deswegen denkt der globale TV-Produktionriese Warner Bros. diesmal sehr lokal - im Lokal. Das feiert auch Gastgeber Simon: "Was ich so geil finde an dem Ruby Ella, ist ja: Das ist kein Studio sondern ein kommunikativer Ort mitten in Köln. Das ist die ideale Atmosphäre für LateNight: In der Bar mit einem Drink in der Hand und das mitten in der Stadt am Abend. Da hab ich doch als Zuschauer Bock drauf. Wir sind nicht bei hellem Tageslicht im Gewerbegebiet und sehen Publikum als Klatschvieh. Hier sitz ich gerne mit nem Getränk und einmal die Woche sind jetzt auch noch Leute da, die lustig sind."
Ein TV-Studio sei zwar immer praktischer, sagt Produzent Brindöpke. "Mehr Spaß macht es aber, wenn man nicht in eine Halle im Gewerbegebiet eine Atmosphäre einbauen muss, sondern einfach in echten Locations dreht. Außerdem braucht es schon sehr viel Budget, um in Studios eine Kulisse zu bauen, die sich nicht am Ende doch immer noch artifiziell anfühlt. Und hier sind wir mitten drin." Das Projekt, auch Werbung für das neue Hotel am Kölner Hohenzollernring, wo einst das Capitol-Theater stand.
Hier begann im Dezember 1995, nur wenige Monate nach der Beendigung des Kinobetriebs, die "Harald Schmidt Show". Später war die "Wochenshow" hier zuhause und 2001 zog Stefan Raab mit "TV Total" vom Theater am Rudolfplatz her, bevor es später dann nach Köln-Mühlheim ging. Von dem Theater ist schon lange nichts mehr übrig. Jahrelang diente es einer italienischen Ledermöbel-Marke als Flagship-Store. Nur der bekannte grüne Schriftzug am Gebäude erinnert noch heute an die TV-Historie des Ortes. In ganz kleinen Schritten könnte die Geschichte ab dem 23. Oktober fortgeschrieben werden, wenn auch erstmal bei YouTube.
Das Fernsehen könnte mehr LateNight gebrauchen, da ist sich Philip Simon mehr oder weniger selbstlos sicher: "Für mich ist es bis heute ein Rätsel warum nicht jeder große Sender mindestens eine LateNight hat. An der Knete kann es doch nicht liegen, wenn ich mir die teuren Serien anschaue die da produziert werden. Und an den Talenten auch nicht, da haben wir genug. Alle klagen immer, dass es so wenige Moderatorinnen und Moderatoren gibt. Dann gebt ihnen doch Fläche am späten Abend um zu wachsen. Da ist das Fernsehen oft wie die CDU: Sie wundern sich jetzt, dass kein Personal da ist, aber haben halt jahrelang die eigene Erneuerung verpasst."