Daniel Rosemann © Seven.One Entertainment Group Daniel Rosemann
Als ProSieben im April das neue Info-Magazin "Zervakis & Opdenhövel. Live" präsentierte, machte Senderchef Daniel Rosemann eine klare Ansage. Die AfD solle in dem Format nicht vorkommen. Man wolle der Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, keine Plattform geben, so der ProSieben-Chef damals. So hatten es zumindest einige Journalistinnen und Journalisten in der Runde verstanden und geschrieben - und so steht es auch heute noch auf zahlreichen Webseiten, inklusive bei DWDL.de. Inzwischen heißt es, der kategorische AfD-Ausschluss habe nur für die damals aktuellen Interviews mit den Kanzlerkandidatinnen und Kanzlerkandidaten gegolten. Die AfD könne bei "Zervakis & Opdenhövel. Live" durchaus vorkommen.

Rosemann jedenfalls stieg in den Wochen danach innerhalb der ProSiebenSat.1-Gruppe auf und leitet seit Mitte Mai neben ProSieben auch Sat.1. Unter dem neuen Senderchef soll Sat.1 nicht nur familienfreundlicher werden, sondern auch relevanter. Gerade für Letzteres stand der Sender in den vergangenen Jahren eher nicht mehr. Relevante Themen wurden aus Unterföhring heraus zuletzt von ProSieben gesetzt. Zur Bundestagswahl will aber auch Sat.1 wieder mitmischen. So hat man das Format "Facing the Classroom" angekündigt, in dem sich Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock einem Kreuzverhör von Schulkindern stellen. Und dann will man auch mit Sommerinterviews punkten.

Am Dienstag, den 27. Juli, ist das erste dieser Sommerinterviews um 19:40 Uhr zu sehen, zu Gast bei Stephanie Puls und Heiko Paluschka ist der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck. In den kommenden Wochen folgen noch CDU-Kandidat Armin Laschet, SPD-Herausforderer Olaf Scholz und FDP-Chef Christian Lindner. "Weitere Parteien finden ihren Platz in der allgemeinen Berichterstattung im Vorfeld der Bundestagswahl 2021", hieß es vor einigen Tagen von einer Sendersprecherin gegenüber DWDL.de. Zu diesen "weiteren Parteien" zählen mit der AfD und der Linken auch zwei, die derzeit im Bundestag sitzen. Die AfD ist dort sogar die stärkste Kraft der Opposition. 

Entscheidung nach Koalitionsaussagen?

Dass die AfD nicht Teil der Gesprächsreihe werden würde, kommt nach den früheren Aussagen von Daniel Rosemann nicht wirklich überraschend. Doch warum fehlt auch die Linke? Sendersprecher Christoph Körfer: "Die Sat.1-Nachrichtenredaktion hat sich entschieden, mit den vier Parteien Sommer-Interviews zu führen, die nach den aktuellen Koalitionsaussagen nach der Wahl Teil einer neuen Bundesregierung sein können." Auch Körfer verweist zudem auf die weitere Berichterstattung des Senders, in denen alle Parteien vorkommen würden. 

Die Begründung, weshalb AfD und Linke gar nicht erst zu den Sommerinterviews eingeladen wurden, ist überraschend. Zum einen, weil der Sender diesmal in Sachen AfD eine andere Argumentation wählt und sich nicht so klar gegen die Partei positioniert, wie es Rosemann noch vor wenigen Wochen tat. Und zum anderen, weil Koalitionsaussagen, die vor einer Wahl getroffen werden, danach vielleicht gar nicht halten. Ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken ist überdies gar nicht endgültig vom Tisch, weil es von keiner der Parteien ausgeschlossen wurde.

Verwirrung um Begründung

Gegenüber DWDL.de teilte die Linke darüber hinaus mit, dass sie einen anderen Grund für die Nicht-Teilnahme an der Sendung erhalten habe. Demnach hätte der zuständige Sat.1-Redakteur dem Pressesprecher der Partei mitgeteilt, die Partei liege in Umfragen in Bayern unter der Marke von 5,0 Prozent und werde deshalb nicht Teil der Sendung sein. "Es ist bemerkenswert, dass Sat.1 im Vorfeld der Bundestagswahl die Interviewpartner für die bundesweit ausgestrahlten Sommerinterviews nach den Umfragewerten der Parteien in Bayern auswählt", sagt der Linken-Sprecher gegenüber DWDL.de. Hier gab es offenbar eine Verwechslung. Denn die Aussage des Redakteurs hat es nach Angaben des Senders tatsächlich gegeben, sie stammte aber von Sat.1 Bayern für ein dort gezeigtes Wahl-Format. Nicht etwa für die bundesweit ausgestrahlten Sommerinterviews von Sat.1. 

"Journalistisch ausgewogen und besonders demokratisch ist dieser Ansatz nicht."
AfD-Sprecher

Deutliche Kritik kommt von der AfD. Zwar betont ein Sprecher der Partei, dass ein Privatsender wie Sat.1 in der Gestaltung des Programms grundsätzlich frei sei. "Lediglich in Bezug auf Wahlwerbespots trifft sie eine gesetzliche Pflicht, allen Parteien eine angemessene Sendezeit einzuräumen. Wenn Herr Rosemann die AfD in seinen Programmen darüber hinaus nicht vorkommen lässt, verschafft er dadurch all jenen Parteien, die in seinen Sendungen auftreten dürfen, einen Wettbewerbsvorteil." Und auch wenn es juristisch in Ordnung sei, so zu verfahren, sagt der AfD-Sprecher: "Journalistisch ausgewogen und besonders demokratisch ist dieser Ansatz nicht."

Die AfD sieht in der Entscheidung von Sat.1, die Partei nicht zu den Sommerinterviews einzuladen, eine "Bevormundung der Zuschauer". Ihnen werde verwehrt, sich selbst eine Meinung über die Partei zu bilden. Von DWDL.de auf diesen Vorwurf angesprochen, wollte sich Sat.1 nicht äußern. Es bleibt die Frage, wie sehr man damit solchen Personen in die Karten spielt, die immer wieder behaupten, "die Medien" würden ohnehin nur das berichten, was in ihr Weltbild passt. 

Wir haben den Text um 19 Uhr an zwei Stellen angepasst. So heißt es von Sat.1- und ProSieben-Sprecher Christoph Körfer nun, die im April von Daniel Rosemann getätigte Aussage in Bezug auf den AfD-Ausschluss habe sich nicht auf das neue Info-Magazin mit Matthias Opdenhövel und Linda Zervakis bezogen. Und wie sich inzwischen herausgestellt hat, gab es die Begründung in Richtung der Linken tatsächlich. Diese kam aber von Sat.1 Bayern für ein dort gezeigtes Wahl-Format.