Als sich der WDR vor einigen Monaten mit der "Letzten Instanz" blamierte und irgendwo zwischen Schnitzeln und Rassismus verlief, reagierte Enissa Amani schnell: Innerhalb weniger Tage brachte die Komikerin ihren eigenen Talk an den Start, um zu zeigen, wie es anders und vielleicht auch besser gehen könnte - eigenständig initiiert, moderiert und finanzierte sie schließlich "Die beste Instanz". Und dafür gab es nun den Grimme Online Award in der Kategorie "Spezial".
Die Sendung stehe "nicht nur mit dem kompetenten Inhalt, sondern auch mit der Art des Gesprächs im Kontrast zu anderen prominenten Formaten, in denen über aktuelle politische Themen debattiert wird", urteilte die Grimme-Jury. "Vor allem aber ist 'Die beste Instanz' ein Beispiel für das demokratisierende Potential des Internets, das nicht nur durch Kritik an bestehenden Formaten, sondern auch durch das Schaffen alternativer Räume und Gegenangebote nachhaltig wirken kann. Sie offenbart also nicht nur Missstände in der Medienlandschaft, sondern auch, wie leicht sie vermeidbar wären, wenn ein entsprechender Wille bestünde. Eine unmittelbare, starke, konstruktive Intervention für eine gerechtere Gesellschaft und Zukunft."
"Ein ernstes Jahr"
Verliehen wurde der Grimme Online Award am Donnerstagabend - Corona-bedingt in Form eines Livestreams. Doch die Pandemie spielte bei der Verleihung selbst fast gar keine Rolle. "Es war ein ernstes Jahr - was mit Blick auf die Inhalte für die Nominierungen und die Preisträger gleichermaßen gilt", fasste die Jury zusammen. "Das ergibt sich aber aus anderen Gründen als den offensichtlichen, denn unter den Preisträgern findet sich kein Angebot, das Corona zum Thema macht." So ging etwa ein Preis an das Audio-Projekt "190220 - Ein Jahr nach Hanau" von Spotify, das sich auf hörenswerte Weise mit einem der größten rechtsextremen Attentate der Nachkriegszeit beschäftigt.
Ebenfalls ausgezeichnet wurde die Webdokumentation "Gegen uns.", die - so die Jury - "auf eindrucksvolle Weise die Lebensgeschichten von Opfern von Rassismus und rechtsextremistischer Gewalt aus der statistischen Anonymität" hole und "mitten ins Herz" treffe. In der Kategorie "Wissen und Bildung" wiederum ging ein Preis von das Online-Projekt "#StolenMemory", das drei ehemalige KZ-Insassinnen und -Insassen in den Mittelpunkt stellt, denen bei ihrer Verhaftung alle persönlichen Gegenstände abgenommen wurden. Weitere Awards erhielten der Podcast "Queerkram", die vielfältigen Specials des Web-Angebots "dekoder" und ein Format namens "Dulsberg Late Night", mit dem ein Hamburger Schulleiter während der Corona-Krise täglich eine Begleitung zum Homeschooling lieferte.
Einen doppelten Preisträger brachte der Grimme Online Award in diesem Jahr ebenfalls hervor: Niklas Kolorz erhielt nicht nur eine Auszeichnung in der Kategorie "Wissen und Bildung", sondern auch den Publikumspreis - in beiden Fällen für dessen TikTok-Kanal. Dieser sei "wie eine Tüte Chips: Nur schnell ein, zwei Stück essen, aber plötzlich ist die Tüte leer", urteilte die Grimme-Jury. "Mit dem Unterschied, dass nach dem Genuss seiner Videos mehr Wissen hängen bleibt, nicht mehr Gewicht."
Die Preisträger 2021 auf einen Blick
Information
- 190220 - Ein Jahr nach Hanau
- Gegen uns.
Wissen und Bildung
- #StolenMemory
- Niklas Kolorz auf TikTok
Kultur und Unterhaltung
- Dulsberg Late Night
- Queerkram
Spezial
- dekoder Specials
- Die beste Instanz
Publikumspreis
- Niklas Kolorz auf TikTok