Über die Ernsthaftigkeit der TV-Ambitionen im Hause Axel Springer wurde in den vergangenen Monaten vielfach spekuliert und oft geschrieben. Von einer Reduzierung oder gar Einstellung der Bewegtbildambitionen, die maßgeblich von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt vorangetrieben wurden, kann aber keine Rede sein. Am Montagvormittag bestätigte Axel Springer die Absicht, Bild in weniger als einem halben Jahr auch als klassischen Fernsehsender on air zu bringen - und damit noch vor der Bundestagswahl.
Der neue Sender soll unter der Sendermarke Bild über Kabel, Satellit, IPTV sowie OTT frei empfangbar sein. Eine dafür nötige Sendelizenz wird bei der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) beantragt. Die Werbevermarktung übernimmt Visoon. Die Verantwortung für das Programm des Sender-Projekts Bild wandert in die Hände von Claus Strunz, Reichelt bleibe als Chefredakteur inhaltlich gesamtverantwortlich.
Kern des neuen TV-Senders Bild soll ein am Vormittag beginnendes Live-Programm von täglich bis zu sechs Stunden sein. Dafür werden auch die neuen Studios im Axel-Springer-Neubau mit genutzt werden. Geplant ist außerdem, die Live-Sendestrecke mit News und aktuellen Themen zeitgleich bei N24 Doku, dem Timeshift-Sender von Welt, zu zeigen.
Neue Unit bei WeltN24 entsteht
Abseits der täglich eingeplanten Live-Strecke sowie den - wie bisher bei Bild TV im Netz - spontan gestarteten Live-Sendungen bei entsprechenden Nachrichtenlagen sollen Dokumentationen, Reportagen und weitere Formate das 24-Stunden-Programm füllen. Thematisch stünden Politik, Sport, VIP, Crime sowie Service-Themen im Mittelpunkt des neuen Fernsehsenders, der von einer neuen TV-Unit der WeltN24 GmbH, produziert wird, die künftig Fernseh-Aktivitäten für Welt, Bild und N24 Doku bündelt.
Die neue Unit erbringt unter anderem den technischen Sendebetrieb und die Sendeplanung, Distribution sowie den Programmeinkauf von Lizenzformaten. Die Inhalte für die Live-Strecke kommen aus der Bild-Redaktion. Verantwortliche Geschäftsführer der WeltN24 GmbH sind Frank Hoffmann als Vorsitzender für die TV-Unit sowie Claus Strunz, der in dieser Funktion auch Programmchef des Senders von Bild wird. Claus Strunz ist außerdem Geschäftsführer TV/Video bei Axel Springer und Mitglied der Bild-Chefredaktion.
Bessere Monetarisierung im Fokus
Im vergangenen Dezember erklärte Bild-Chefredakteur Reichelt im DWDL-Interview zur Bewegtbildstrategie: "Wir wollen wie immer mit der Marke 'Bild' da hin, wo die Menschen sind, und auch auf die großen Bildschirme, wie auch immer das technisch passiert - via OTT-App, via einprogrammiertem Sender oder via Spiegelung vom Smartphone. Das treibt mich nicht um, das wird der Wandel der Mediennutzung zeigen. Mir geht es darum: Wann immer etwas passiert, ist Bild live." Jetzt also kommt er, der klassisch verbreitete Fernsehsender.
Dahinter steckt insbesondere der Wunsch nach besserer Monetarisierung, wie der Chefredakteur schon im Dezember andeutete. Auf die Frage, ob das höherpreisige Niveau klassischer Fernsehwerbung nicht finanziell verlockender ist als ein einziger vorgeschalteter Werbespot vor einem Livestream im Netz, entgegnete Reichelt: "Die Perspektive, die Sie aufzeigen, ist richtig, um Erlöse zu generieren, die 'Bild' angemessen sind." Zur inhaltlichen Strategie sagte er: "Ich sehe zwei Säulen für unser Programm, die Double-O-Strategie wie ich sie nenne. Ongoing und Opinion. Wir sind nicht 'Top-of-the-hour'-News." Eine Richtung, die mutmaßlich auch dem meinungsstarken Kollegen Claus Strunz gefällt.