In den vergangenen Tagen hat Axel Springer mögliche Verfehlungen von "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt unter die Lupe genommen. Im Kern der Untersuchung standen die Vorwürfe des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen sowie Drogenkonsum am Arbeitsplatz. Jetzt ist das Compliance-Verfahren beendet. Im Ergebnis hat man festgestellt, dass Reichelt durchaus Fehler gemacht hat. Diese waren aus Sicht des Verlags aber offenbar nicht so schwerwiegend, sodass Reichelt nun an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Gleichzeitig stellt Springer die Redaktionsleitung von "Bild" neu auf, künftig wird das Boulevardblatt neben Reichelt auch von Alexandra Würzbach geführt.
Wie Springer am Donnerstagmittag in einer Pressemitteilung erklärte, habe es gegen Reichelt keine Vorwürfe der sexuellen Belästigung oder Nötigung gegeben, auch im Untersuchungsverfahren habe es keine entsprechenden Anhaltspunkte gegeben. Reichelt selbst hat die Vermischung von beruflichen und privaten Beziehungen eingeräumt, die anderen Vorwürfe wies er jedoch strikt zurück und versicherte das auch eidesstattlich.
"Er hat Fehler gemacht"
Ich weiß, ich habe im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen Fehler gemacht und kann und will das nicht schönreden.
Julian Reichelt
Grundsätzlich versucht sich Springer am Donnerstag in Diplomatie und Aufbruch gleichermaßen. So spricht man zwar ganz klar von Fehlern des "Bild"-Chefredakteurs in der "Amts- und Personalführung", diese seien aber nicht strafrechtlicher Natur. Dennoch betont der Verlag, dass sich die Führungskultur bei "Bild" ändern soll - das ist schon ein ziemlicher Schlag ins Gesicht für Julian Reichelt. "In die Gesamtbewertung sind auch die enormen strategischen und strukturellen Veränderungsprozesse und die journalistische Leistung unter der Führung von Julian Reichelt eingegangen", heißt es.
Das sagt Julian Reichelt
Man sei überzeugt davon, dass ein moderner und unangepasster Boulevardjournalismus und eine zeitgemäße Führungskultur "kein Widerspruch sind", sagt CEO Döpfner. Was er damit auch sagt: Die Führungskultur bei "Bild" war zuvor alles andere als zeitgemäß. Julian Reichelt selbst zeigt sich trotz seines Machtverlustes "erleichtert und froh, jetzt wieder in die Redaktion zurückzukehren". Reichelt weiter: "Die Solidarität und der Zuspruch, die ich in den letzten Wochen erfahren habe, haben mich berührt und machen mich dankbar. Ich weiß, ich habe im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen Fehler gemacht und kann und will das nicht schönreden. Was ich mir vor allem vorwerfe ist, dass ich Menschen, für die ich verantwortlich bin, verletzt habe. Das tut mir sehr leid. Rückwirkend kann ich das nicht mehr ändern, aber ich werde meine Chance jetzt nutzen und mich dafür einsetzen, gleichberechtigt mit Alexandra Würzbach und gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als ein Team eine neue Unternehmenskultur für 'Bild' zu schaffen und vorzuleben."
Interessant ist der Umbau an der "Bild"-Spitze auch vor einem anderen Hintergrund. Als Tanit Koch Anfang 2018 das Unternehmen verließ, weil die Doppelspitze zwischen ihr und Reichelt nicht funktionierte, erklärte Mathias Döpfner noch, dass die damalige Konstellation in der Chefredaktion gut gemeint war, aber eben nicht funktioniert habe. "Weil diese Aufstellung nicht zu 'Bild' passt", so Döpfner damals. "'Bild' braucht ganz klare Verhältnisse." Ob das jetzt der Fall ist, wird wohl erst die Zukunft zeigen.