Als ProSiebenSat.1 am Donnerstag seinen Geschäftsbericht für 2020 veröffentlicht hat und die dazugehörige Pressemitteilung verschickte, war darin nichts zu lesen von den Zahlen, die Joyn zum Gesamtergebnis beigetragen hat. Die Streamingplattform gehört immerhin zu 50 Prozent zum Unternehmen, die restlichen Anteile hält Discovery. Man muss sich erst durch den mehr als 200 Seiten langen Geschäftsbericht wühlen, um auf Seite 164 eine detaillierte Übersicht zu finden - und die lässt aufhorchen. So lag der Umsatz im vergangenen Jahr bei 58 Millionen Euro - im Vorjahr waren es noch 91 Millionen. Das liege an veränderten Distributionsvereinbarungen, heißt es. Die Werbeerlöse auf der Plattform seien gestiegen.

Operativ steckt die Streamingplattform von ProSiebenSat.1 und Discovery im tiefroten Bereich, so lag der Verlust bei 163 Millionen Euro. Den teilen sich die beiden Unternehmen zu gleichen Teilen, ProSiebenSat.1 muss davon also mehr als 80 Millionen Euro stemmen. Alleine im vergangenen Jahr hat Joyn 40 Millionen Euro an Abschreibung und Wertminderungen durchgeführt. Insgesamt beläuft sich der Schuldenberg von Joyn auf rund 100 Millionen Euro - im Vergleich zu 2019 ist das aber sogar ein Rückgang. Gesagt sei an dieser Stelle aber auch, dass in der Joyn-Bilanz Vermögenswerte von mehr als 120 Millionen Euro stehen. 

Auf absehbare Zeit wird Joyn wohl auch weiterhin rote Zahlen schreiben. Auf Nachfrage von DWDL.de sagte Deputy Group CFO Ralf Gierig am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz, dass man an dem Ergebnis "arbeite", dennoch müsse man auch eine gewisse Marktpenetration erreichen. "Es geht auch um Reichweite", sagt Gierig, der auf die 3,46 Millionen Unique User verweist, auf die Joyn im Dezember 2020 kam. Diese Zahl will man weiter nach oben treiben, um ein relevanter Player auf dem Markt zu werden. 

"Es geht auch um Reichweite"

Rainer Beaujean unterstrich bei der Pressekonferenz unterdessen noch einmal die Bedeutung von Joyn. Die Streamingplattform habe ein Geschäftsmodell, "das perfekt zur Digitalisierungslogik passt", so der Vorstandssprecher. Man betrachte Joyn als wesentlichen Teil und im Übrigen hätten die ausgewiesenen Verluste keinen großen, negativen Cash-Effekt auf den Konzern, so Beaujean. Deswegen sei Joyn trotz der Verluste "sehr werthaltig" für ProSiebenSat.1. 

Unterstrichen hat Rainer Beaujean am Donnerstag auch noch einmal die Strategie, nicht nur auf ein Abo-Modell zu setzen, sondern die Inhalte auf der Plattform weiterhin stark über Werbung finanzieren zu wollen. Das werbefinanzierte Modell habe eine Berechtigung am Markt, weil sich die Haushalte nicht unendlich viele Abo-Modelle leisten könnten, so der ProSiebenSat.1-Boss. Der Subscription-Bereich, in diesem Fall Joyn Plus+, sei kein wesentlicher Treiber, so Beaujean. Ähnlich äußerte er sich schon im Dezember (DWDL.de berichtete). Nach wie vor klingt es damit nicht so, als würde ProSiebenSat.1 einen gesteigerten Wert auf den Premium-Bereich von Joyn legen. Besser und vor allem profitabel machen will man Joyn unter anderem auch durch die verstärkte Nutzung von User-Daten. Seit dem Herbst gibt es bekanntlich eine Registrierungspflicht für P7S1-Inhalte. Künftig wolle man das Werbeangebot stärker personalisieren. 

Flaconi ist ganz stark, wird aber wohl trotzdem verkauft

Ein Fragezeichen bleibt nach der Bilanzpressekonferenz in Sachen Flaconi. Die Online-Beauty-Plattform will man bekanntlich verkaufen und spricht dazu auch schon mit verschiedenen Interessenten (DWDL.de berichtete). Wie schon in der Vergangenheit, betonte Rainer Beaujean aber auch am Donnerstag das starke Wachstum des Unternehmens und die Fantasien, die noch in Flaconi stecken würden. Das kann eine Strategie sein, den Preis für den Verkauf zu steigern. Es lässt aber auch die Frage aufkommen, weshalb man sich von einem so starken Geschäft überhaupt trennt. 

Denn wohl nichts ist am Donnerstag von dem Vorstandssprecher so sehr betont worden wie die erfolgreiche Diversifizierung des Konzerns. Noch immer macht das TV-Geschäft einen großen Teil von Umsatz und Gewinn aus, aber der Anteil sinkt stetig. Und Flaconi hat im Commerce-Bereich fast im Alleingang sämtliche Rückgänge anderer Bereiche aufgefangen. Da passt ein möglicher Verkauft nicht so recht ins Bild. Doch in Unterföhring betont man: Wenn man nicht mehr der richtige Eigentümer für die weitere Expansion eines Unternehmens sei, wolle man es verkaufen. Dieser Zeitpunkt ist bei Flaconi jetzt offenbar erreicht. Die Plattform müsste in andere Länder expandieren, in denen ProSiebenSat.1 nicht mehr aktiv ist und in denen man das Unternehmen dann auch nicht mehr über Werbung auf den eigenen TV-Sendern pushen könnte. 

Dating skaliert

Nicht zum Verkauf steht dagegen das Dating-Geschäft - im Gegenteil. Das wird künftig neben den Bereichen Entertainment und Commerce & Ventures gleichberechtigt an dritter Stelle stehen. Rainer Beaujean schwärmt von der hohen Skalierbarkeit und hohen Margen, die im Dating-Bereich möglich sind. Das ist offenbar etwas, das Flaconi nicht leisten kann. Das Segment umfasst die im vergangenen Jahr neu geschaffene ParshipMeet Group, mit Apps und Angeboten wie Lovoo, ElitePartner, eHarmony, oder auch Skout, Tagged und Parship. Die neue Gruppe sei "Kern" der Unternehmensstrategie, weil man hier einen Global Player im Portfolio habe, der auch gut zum Bereich Entertainment passe. Schon 2020 lag der Umsatz der ParshipMeet Group bei 333 Millionen Euro und da waren die Zahlen der Meet Group nur anteilig eingerechnet. Auf Jahressicht kommt die Gruppe auf mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz. 

Und dann hat ProSiebenSat.1 bei seiner Bilanz-Pressekonferenz noch einen Ausblick auf das laufende Jahr gegeben. So erwartet man ein schlechteres 1. Quartal als im Vorjahr - damals schlug die Corona-Pandemie ja erst im März auf Umsatz und Ergebnis - jetzt ist wohl das ganze Quartal von der Pandemie belastet. So erwartet man, dass die Werbeumsätze im niedrigen, zweistelligen Prozentbereich zurückgehen werden. Der Gesamtumsatz soll dagegen nur im einstelligen Prozentbereich sinken. Wichtig wird die Entwicklung in Quartal zwei. 2020 ist der Konzern da massiv von den Corona-Auswirkungen getroffen worden - ganz so stark wird der Impact in diesem Jahr wohl nicht sein.