Überraschende Kehrtwende bei der Mediengruppe RTL Deutschland: Die 2018 vor dem Führungswechsel von Anke Schäferkordt zu Bernd Reichart eingeführte Streamingmarke TVNow wird in den kommenden Monaten beerdigt, um das SVoD-Angebot im zweiten Halbjahr 2021 unter dem Namen RTL+ neu zu positionieren. Eine Veränderung, die nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de einher geht mit der umfassenden Überarbeitung der Markenarchitektur des Unternehmens, die seit Monaten bereits unter dem Projektnamen "RTL United" vorangetrieben wird.
Über die Jahrzehnte ist in den diversen europäischen Märkten der RTL Group, aber auch allein in Deutschland, ein Wildwuchs verschiedener Logo-Variation der Marke RTL für Fernsehsender, Radiostationen und Digitalangebote etabliert worden. Der Internationalisierung des Wettbewerbs mit weltweit einheitlich auftretenden Marken wie Netflix, Prime Video oder Disney+ will man deshalb nach DWDL.de-Informationen eine Stärkung der Kernmarke RTL entgegen setzen, die laut interner Selbstdarstellung "für positive Unterhaltung und unabhängigen Journalismus sowie Inspiration, Energie und Haltung" steht.
"Markenarchitektur innerhalb der gesamten RTL Group harmonisieren"
Erreicht werden soll die Fokussierung durch ein einheitlich wiedererkennbares Erscheinungsbild für etablierte RTL-Marken und falls nötig Rebrandings. So firmiert die Mediengruppe RTL Deutschland künftig als RTL Deutschland und das SVoD-Angebot TVNow wird zu RTL+. Dass man damit weniger als drei Jahre nach Einführung der Streaming-Marke TVNow und kostspieligen Marketinganstrengungen, diese im Markt zu etablieren, eine Rolle rückwärts macht, nimmt man in Deutz angesichts der Gesamtstrategie in Kauf. Das Rebranding des Streamingdienstes hat auch weitere Konsequenzen: So wird der bisher RTLplus genannte Retro-Sender der Gruppe einen neuen Namen erhalten. Eigenmarken wie Vox oder ntv sollen aber übrigens auch bei einer Vereinheitlichung der Markenarchitektur erhalten bleiben.
Der Rollout des Projekts "RTL United" ist nach DWDL.de-Informationen für das zweite Halbjahr geplant. Gerade rechtzeitig, damit kommende Flaggschiff-Projekte, die man gerade in diversen Genres für TVNow in Auftrag gegeben hat, beim neu positionierten RTL+ starten können, darunter die angekündigte Verfilmung des Wirecard-Skandals, Serienprojekte wie "Faking Hitler" oder "Herzogpark", eine vierteilige Dokumentation über das Leben von Angela Merkel sowie einige True Crime-Programme.
Eigene Stärke betonen statt Plattform-Gedanken
Eigenproduktionen hatte TVNow auch schon unmittelbar zum Marktstart mit der Anfang 2019 veröffentlichten Serie "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" von David Schalko, die ursprünglich für den PayTV-Kanal RTL Crime geplant war. Doch erst im vergangenen Jahr wurden dann Eigenproduktionen in höherer Schlagzahl für TVNow angekündigt, was möglicherweise auch den Weg zum jetzigen Rebranding ebnete, weil damit endgültig eigene Inhalte statt offenem Plattform-Gedanken in den Fokus genommen wurde.
Ein interessantes Signal ist die "Harmonisierung der Markenarchitektur" bzw. Stärkung der Marke RTL auch vor dem Hintergrund der Schlagzeilen um Gruner+Jahr: In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die beiden deutschen Medienhäuser von Bertelsmann in Gesprächen über eine noch engere Zusammenarbeit gehen, was angesichts der ohnehin bereits bestehenden intensiven Kooperation auch erklärtermaßen eine Fusion beider Häuser bedeuten könnte. Der Hamburger Verlag trifft damit in Köln auf einen TV-Konzern, der seine historische Marke von Radio Télévision Luxembourg künftig mit eher mehr als weniger Selbstbewusstsein noch sichtbarer auf der Brust trägt.