Der Westdeutsche Rundfunk hat eine unruhige Woche hinter sich. Gerade hatte sich die Aufregung um eine Diskussion über Rassismus in der Talkshow "Die letzte Instanz", die Unterhaltungschefin Karin Kuhn später als "misslungen" bezeichnete, beruhigt, da sorgt ein Artikel des "Spiegel" erneut für Wirbel. Im mittleren Teil der gedruckten Ausgabe versteckt, schien er den der Redaktion dennoch so gewichtig zu sein, dass der Text am Freitag vorübergehend als Online-Aufmacher des "Spiegel" diente. Die Überschrift: "WDR löschte heiklen Beitrag über Laschet".
Wenige Tage nach der Talk-Diskussion und ein Jahr, nachdem der WDR reichlich ungelenk eine "Umweltsau" durchs Dorf jagte, passte ein erneuter Fauxpas der größten öffentlich-rechtlichen Anstalt zu gut ins Bild, als dass es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen wäre. Tatsächlich ist die Geschichte weit weniger sensationell als es die Überschrift zunächst vermuten lässt.
Doch worum geht es? Vor eineinhalb Jahren nahm der WDR einen Beitrag aus der ARD-Audiothek, in dem es um ein heimlich aufgenommenes Video eines aufgebrachten Ministerpräsidenten ging. Armin Laschet soll darin zu hören sein, wie er erklärt, die Räumung des Hambacher Forsts für ein RWE-Braunkohlegebiet unter "einem Vorwand" veranlasst zu haben, obwohl die Landesregierung bis dahin stets Verstöße gegen Brandschutzvorschriften als Grund angeführt hatte. Der "Spiegel" wirft nun die Frage auf, ob die Löschung des Beitrags "politisch motiviert" gewesen sei und verweist in diesem Kontext darauf, dass die Regierung im neuen WDR-Gesetz "Gutes für die Anstalt bewirkt" habe und der Ministerpräsident im WDR "auffallend gut" wegkomme.
"Kein Newswert mehr"
Dass es noch eine andere Sichtweise gibt als jene, an der der "Spiegel" seine Berichterstattung festmacht, legen Tweets von Stefan Brandenburg nahe. "Tagelang" habe der Autor des Berichts mit der Fachredaktion über das Laschet-Video diskutiert, erklärte der Leiter Aktuelles beim WDR, noch am Freitagabend bei Twitter. Die Kolleginnen und Kollegen seien daraufhin zu dem Ergebnis gekommen, dass man aus einem minutenlangen Mitschnitt "nicht nur die eine kleine Stelle auswählen darf, die die These stützt".
Besagter Autor habe das Thema danach "anderen Aktuellen" angeboten, ohne jedoch zu sagen, dass andere Kolleginnen und Kollegen eine Veröffentlichung in der Form "für journalistisch unsauber gehalten hatten". Ähnlich klingt auch die offizielle Erklärung des WDR: "Wenn man sich entscheidet, solches Material zu verwenden, braucht man einen triftigen Grund und den hatten wir nicht", erklärte der Sender mit Blick auf das Video. "Also hat die Fachredaktion den angebotenen Beitrag mit Verweis auf die journalistische Sorgfaltspflicht abgelehnt."
Ohnehin habe Laschets angebliche Kernaussage "damals schon keinen Newswert mehr" gehabt, weil der WDR und andere längst darüber berichteten, dass die Landesregierung einen Vorwand für die Räumung gesucht hatte, stellte der Sender in einer Stellungnahme klar. NRW-Innenminister Herbert Reul selbst hatte dies zuvor schon in einem Interview mit dem WDR eingeräumt. "Mit anderen Worten: Man musste keine Mitschnitte eines offenbar verdeckt migeschnittenen Videos veröffentlichen, um das nachzuweisen", erklärte der WDR.
Und auch eine unkritische Berichterstattung lässt sich dem WDR nur schwer vorwerfen, wie auch der "Spiegel" mit einer schnellen Recherche hätte herausfinden können. "Die Unwahrheit, die Irreführung an dieser Stelle", erklärte ein WDR-Reporter in der Sendung "WDR aktuell" damals, "das fällt der Landesregierung nach wie vor auf die Füße."
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