Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie habe sich der SWR "in herausragender Weise um ältere Menschen gekümmert", sagte Kai Gniffke bei der digitalen Jahrespressekonferenz seines Hauses. Doch diejenigen, die das Dritte Programm im Südwesten ohnehin konsumieren, standen an diesem Vormittag nicht im Mittelpunkt. Da war von einem "Digitalisierungsschub" und von "Innovation auf Top-Managementebene" die Rede, vor allem aber von Ausspielwegen fernab des linearen Programms. "Wir wollen immer mehr in digital only denken", fasste der Intendant seine Bestrebungen auf den Punkt.
Tatsächlich sind viele neue Formate, die der SWR am Freitag vorstellte, nicht oder allenfalls bedingt für das klassische Fernsehen gedacht. Und zwar auch im fiktionalen Bereich: "Ich bin Sophie Scholl" nennt sich ein Projekt, das einem spannenden Gedankenspiel folgt: Was wäre gewesen, wenn die Widerstandskämpferin Instagram gehabt hätte? Genau dort soll voraussichtlich im Umfeld ihres 100. Geburtstages im Mai täglich Content ausgespielt werden - eine Instagram-Serie, die unter Einbeziehung von historischem Originalmaterial und Spielszenen insbesondere junge Nutzerinnen und Nutzer an Scholls wechselvollem Alltag im Kriegsjahr 1942 teilhaben lassen will.
"Naber? Was geht! - Dein Weg, Deine Story" nennt sich wiederum eine Reportagereihe, die inspirierende Frauen mit türkischen oder kurdischen Wurzeln in den Mittelpunkt stellen will und neben Instagram auch auf YouTube und in der ARD-Mediathek verbreitet wird. Auch die Doku-Reihe "Next Generation", die sich ab dem zweiten Quartal in verschiedenen Staffeln mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen wird, oder "Friederike klopft an" - ein Format, in dem Schauspielerin Friederike Kempter auf Frauen um die 40 trifft - sind ausschließlich für die Online-Nutzung gedacht.
Gleiches gilt für die neue Talkshow "Five Souls", in der Hadnet Tesfay, Natasha Kimberly und Thelma Buabeng wöchentlich auf YouTube und Instagram mit zwei Gästen über Themen sprechen, die vor allem für 30- bis 40-Jährige von Interesse sind - vor allem zwischenmenschliche Beziehungen sollem im Mittelpunkt stehen. Neu ist auch die Comedyserie "Almania", die ab dem 19. März mit zunächst zwei Pilotfolgen in der ARD-Mediathek laufen wird. "Modern, visuell originell und schnell" sei die Erzählweise dieser "Clash-of-Cultures"-Sitcom, in der Comedian Phil Laude "Deutschlands deutschesten Lehrer" spielt, wie es heißt.
"Merkeljahre" und "Little America"
Und doch gibt es sie noch, die Formate, die der SWR auch mit Blick auf eine TV-Ausstrahlung entwickelt. Das Format "Axel Wagner & Der Klimawandel" wird zwar als "hochwertig produzierte Web-Dokumentation" beschrieben, soll im Frühjahr aber den Weg ins SWR Fernsehen schaffen. In der zweiten Jahreshälfte ist die Ausstrahlung der neuen Dokureihe "Notaufnahme" geplant und in "Down the Road" sollen junge Menschen mit Down-Syndrom auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet werden. Dazu kommen eine Dokumentation von Stephan Lamby über das Wahljahr und der Film "Merkeljahre. Am Ende einer Ära", der neben einer Ausstrahlung im Ersten, natürlich, auch eine dreiteilige Fassung für die Online-Ausspielwege umfasst.
Voraussichtlich im Herbst soll es dann auch die neue Serie "Little America" ins Erste schaffen, die davon erzählt, wie ganze Landstriche von Rheinland-Pfalz zu Klein-Amerika wurden. Spannend ist auch "Ich bin dein Mensch", der erste Fernsehfilm der Emmy-ausgezeichneten Regisseurin Maria Schrader. Dabei handelt es sich um eine romantische Komödie, die von der Begegnung zwischen einer Frau und einem humanoiden Roboter erzählt. Das klingt weit weg von "Eisenbahnromantik" und den "Fallers", für die trotzdem noch Platz im TV-Programm des SWR ist, auch wenn beim Pressegespräch davon freilich keine Rede war.